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REVIEW STREAMING: „Carl Hiaasen’s Bad Monkey“

Köstlich-lakonische Krimiserie über einen vom Dienst suspendierten Cop in Key West, der hofft, durch die Aufklärung eines bizarren Mordfalls wieder an seinen Job kommen zu können.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 10 x 45 Minuten; Showrunner: Bill Lawrence; Besetzung: Vince Vaughn, Natalie Martinez, Rob Delaney, Meredith Hagner, Jodie Turner-Smith, Michelle Monaghan, Ronald Peet, John Ortiz; Plattform: Apple TV+; Start: 14. August 2024

REVIEW:
Mir hat die Beschreibung von Howard Hawks’ Western-Klassiker „Rio Bravo“ als Hangout-Movie immer ausgezeichnet gut gefallen. Klar gibt es eine Story, eine Handlung, einen Spannungsaufbau. Aber der Film gefällt einem, weil man sich fühlt, als würde man mit ein paar Freunden rumhängen, die nur zufälligerweise auf Namen John Wayne, Dean Martin, Angie Dickinson und Ricky Nelson hören, sich gegenseitig ein paar Geschichten erzählen und, hey, vielleicht noch ein oder zwei Lieder miteinander singen. „Carl Hiaasen’s Bad Monkey“, erdacht und erschaffen von Serienlegende Bill Lawrence, der gerade schon mit „Ted Lasso“ und „Shrinking“ zwei Gewinner bei Apple TV+ landen konnte, ist dementsprechend, und das sage ich mit Demut und stiller Bewunderung, eine Hangout-Serie. Hat einen starken, wenngleich verschlungenen Krimiplot, der die Schose am Laufen hält. Ist aber nur ein Vorwand, um Zeit mit Vince Vaughn zu verbringen, der mit der Figur des Andrew Yancy knapp 30 Jahre nach seiner Entdeckung in Doug Limans „Swingers“ als Sidekick an der Seite von Jon Favreau endlich seine Traumrolle gefunden hat. Für diesen Part wurde der 54-jährige Schauspieler, der seinen Höhepunkt als Leading Man 2005 in „Die Hochzeits-Crasher“ gehabt hat, geboren. Die Figur ist ihm auf den Leib erfunden. 

„Carl Hiassen’s Bad Monkey“ mit Vince Vaughn und Natalie Martinez (Credit: Apple)

Vaughn, baumlang, nicht mehr ganz so schlaksig wie einst, aber immer noch schlaksig genug, und gesegnet mit der Gabe, immer leicht unbeteiligt wirken und geschmeidige Sprüche aus der Hüfte zu schießen, als würde er gerade einen doppelten Whisky on the Rocks trinken, ist aber auch der quintessenzielle Schauspieler, um der lässig-entspannten Florida-Krimiprosa von Carl Hiaasen Gesicht und Körper zu verleihen. Als Bindeglied zwischen Elmore Leonard, mit dem er eng befreundet war, und James Lee Burke hat der 71-jährige Amerikaner mit norwegischen Wurzeln seinen Platz sicher in der Ruhmeshalle legendärer amerikanischer Krimiautoren. Verfilmt von ihm wurden bislang nur „Striptease“ und „Eulen“, beide nur so semigut. Den lakonischen, beiläufigen, immer leicht belustigten und stets von der Verrücktheit des menschlichen Wesens verwunderten Tonfall haben beide nicht hinbekommen. „Bad Monkey“ knackt jetzt den Jackpot, ist Hiaasen pur, Hangout-Unterhaltung deluxe. 

Wer einen der tendenziell plaudernden Hiaasen-Romane (die deutsche Fassung hat 336 Seiten) auf etwa sieben Stunden streckt, hat den Luxus, sich ein bisschen Zeit zu lassen, ordentlich zu strecken und ausführlich ein paar Umwege zu gehen, die in der Vorlage bestens angedeutet sind. Rumhängen eben. So findet Bill Lawrence Muße, einen kompletten Plot auf den Bahamas parallel zu strecken, der nicht so interessant ist, wie er sein sollte, wenn im Mittelpunkt der titelgebende Affe und eine Vodoohexe namens Dragon Queen stehen, letztere immerhin gespielt von der immer faszinierenden „Queen + Slim“-Hauptdarstellerin Jodie Turner-Smith, und dem man nur deshalb goutiert, weil man weiß, dass er irgendwann eins werden wird mit der Geschichte, die einen eigentlich reizt, mit den herrlich verschlafenen Eskapaden von Andrew Yancy, der seinen Job beim Miami Police Department verloren hat und ein bisschen auch sein Mojo, seitdem er sich zu einer hitzköpfigen Dummheit hat hinreißen lassen, die er indes nicht so recht bereuen will.

Also schlägt sich Yancy herum als Gesundheitsinspektor auf den Keys, sitzt viel am Strand und trinkt Bier und bemitleidet sein Schicksal, bis ihm nahezu buchstäblich aus heiterem Himmel ein abgetrennter Arm in den Schoß fällt, dessen Provenienz ungeklärt ist. Eigentlich soll Yancy ihn nur nach Miami in die Pathologie überführen, aber er sieht für sich die Chance gekommen, sich zu rehabilitieren, was, wie Leser der Romane von Carl Hiaasen wissen, nie so einfach ist, wie man es sich denkt, und eigentlich immer nur ein guter Vorwand sind, merkwürdige Episoden zu erleben und eine Galerie bunter Gestalten kennenzulernen, die man verwundert und mit einem Schulterzucken willkommen heißt. It’s Florida, Andrew. So ist das auch hier in dieser bierbäuchigen Erzählung, die den belustigsten Erzähler aus dem Off hat, seitdem Sam Elliott den Zuschauer durch „The Big Lebowski“ begleitete. Da sind die ruchlose Witwe des Armbesitzers, hartnäckige Immobilienhaie, genervte Ex-Kollegen, Yancys ehemalige Geliebte und vor allem die schlagfertige Rosa aus der Pathologie in Miami, die Yancys partner in crimefighting wird. 

Die vielen Wendungen und unerhörten Entwicklungen und überraschenden Querverbindungen halten das Tempo aufrecht, aber ganz ehrlich, sie sind nur der Schlagobers auf der Torte, weil es einem doch einfach reichen würde, das Privileg zu genießen, die Welt durch die Augen von Andrew Yancy erleben zu dürfen, selbst wenn er nur durch die Straßen von Key West schlendert. Vince Vaughn ist ein Erlebnis in „Bad Monkey“, ein Geschenk Gottes an Bill Lawrence und Carl Hiaasen: So verrückt kann Florida gar nicht sein, dass ihm nicht der passende lakonische Spruch dazu einfiele. 

Thomas Schultze