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REVIEW KINO: „Nur noch ein einziges Mal“

Zutiefst emotionale Verfilmung des Weltbestsellers von Colleen Hoover über eine junge Frau, die glaubt, die Liebe fürs Leben gefunden zu haben, dann aber feststellen muss, dass ihre Welt alles andere als heil ist.

CREDITS: 
O-Titel: It Ends With Us; Land / Jahr 2024; Laufzeit: 130 Minuten; Regie: Justin Baldoni; Drehbuch: Christy Hall; Besetzung: Blake Lively, Justin Baldoni, Brandon Sklenar, Jenny Slate, Hasan Minhaj, Amy Morton, Isabela Ferrer, Alex Neustaedter; Verleih: Sony; Start: 15. August 2024

REVIEW:
Colleen Hoover
 ist die aktuell erfolgreichste Schriftstellerin Amerikas. Punkt. Das ist schon einmal die wichtigste Information, die man braucht, um auch ohne Sichtung zu wissen, dass das Publikum bei der Verfilmung von „Nur noch ein einziges Mal“ nicht einfach eine Allerweltsromanze erwartet. Es ist der meistverkaufte Roman Hoovers, blockierte auch Deutschland über Wochen die Spitzenposition der Spiegel-Bestsellerliste. Und wird nun auch in den Kinos ein EVENT sein, zunächst schon einmal morgen in den USA, wo das Tracking täglich verstärkt nahelegt, dass der Film mit Blake Lively eine ernstzunehmende Konkurrenz für den jüngsten Film ihres Lebensgefährten Ryan Reynolds (siehe der „Gossip Girl“-Witz in „Deadpool & Wolverine“) um den Spitzenplatz der Kinocharts sein könnte. In Deutschland folgt der Start am 15. August – aber 80.000 Tickets aus den Previews im Rahmen der bundesweiten Ladies Night legen nahe, dass auch hierzulande ein echter Hit anrollt.

Justin Baldoni und Blake Lively in „Nur noch ein einziges Mal“ von Justin Baldoni (Credit: Sony)

Das alles ist natürlich Hypothese und Einschätzung einfach nur aufgrund der Rahmenbedingungen. Jetzt kommt aber auch noch der Film selbst dazu, geschrieben von Christy Hall, die gerade erst mit ihrer Regiearbeit „Daddio – Eine Nacht in New York“ (die SPOT-Review) in den Kinos war, und inszeniert von Justin Baldoni, den man vornehmlich als Schauspieler kennt (und der auch in „Nur noch ein einziges Mal“ die männliche Hauptrolle übernommen hat), der sich letzthin aber auch mit Filmen wie „Drei Schritte zu dir“ und „Clouds“ als fähiger Regisseur erwiesen hat. Und der lässt nach nur wenigen Minuten etwaige Zweifel verfliegen: Der Film ist perfekt besetzt mit Menschen, die zu schön sind, dass sie nicht in romantischen Dramen in den Hauptrollen besetzt werden könnten. Er ist traumhaft ausgestattet. Jedes Detail stimmt. Und dann das Kostümbild: So hip, so gewöhnungsbedürftig eigenwillig, so einprägsam ist der Look der Konfekte von Eric Daman, schon bei „Gossip Girl“ stilsicher stets jedem Trend eine Nase voraus, dass beim Besprecher alle Alarmglocken schrillen: Hier will jemand auf der obersten Stilwelle surfen, Zeichen setzen, Ausrufezeichen auf die Leinwand malen. 

Wie man weiß, kommt es bei romantischen Filmen auf das Meet Cute an, auf den Moment, an dem sich die beiden Hauptfiguren treffen und der Funke zwischen ihnen so offensichtlich überspringt, dass man sich als Zuschauer in sie verliebt. „Nur noch ein einziges Mal“ hat ein klassisches erstes Aufeinandertreffen: Lily Bloom ist gerade zurückgekehrt von der Beerdigung ihres Vaters, bei deren Trauerrede ihr die Worte versagen: Nach einem Vorfall hat sie sich vor Jahren von ihm entfremdet, jetzt fällt ihr nicht eine gute Eigenschaft ein, die sie loben könnte. Die junge Frau, als käme sie gerade von einem „Emily in Paris“-Cosplay-Event, zieht sich zurück auf das Dach eines Hochhauses in Boston und brütet über ihren düsteren Gedanken, als der Neurochirurg Ryle förmlich in ihr Leben explodiert, als er die Tür vom Treppenhaus auftritt. Er sieht zu gut aus, um wahr zu sein. Er ist zu charmant und schlagfertig, um echt zu sein. Und ist doch Lily Blooms Schicksal, die einen innovativen Blumenladen eröffnet und sich Hals über Kopf verliebt. 

Die Story ist Seifenoper pur. Eine Seifenoper im Stil der klassischen Studio-Weepies der Fünfziger, der Women’s Pictures, in denen die Gefühle stets so sehr überkochten, dass in den aufgeladenen Bildern viel Raum war für kluge Schattierungen, die den Filmen eine ungeahnte Tiefe gaben. Nun ist „Nur ein einziges Mal“ nicht ganz so gut wie klassischer Douglas Sirk oder Vincente Minnelli. Aber er ist ziemlich gut, wie er seine melodramatischen Elemente mit vollem Herzen umarmt. Parallel erzählt der Film aus der Jugend von Lily, von ihrer Liebe zu einem Außenseiter, der sich obdachlos im Nachbarhaus einnistet. Es ist eine tragische Geschichte, Quelle für den Hass auf den Vater. Und Motor für die Handlung, als die glücklich verliebte Lily die Liebe von einst wiedertrifft und damit eine impulsive Dreiecksgeschichte lostritt, die eine überaus überraschende Wendung nimmt, weil Justin Baldonis Adaption eben nicht nur als Liebesgeschichte funktioniert, sondern ganz zeitgeistig auch ein Statement abgibt über toxische Maskulinität, über die Gewalt der Männer – und einen höchst emotionalen Ausweg bietet aus der Spirale des Missbrauchs. 

Aber vor allem ist es Blake Livelys Film. Die eher für leichtgewichtige Auftritte bekannte Schauspielerin nutzt ihr inneres Strahlen, um mit Lily Bloom eine Heldin für Frauen zu erschaffen, deren Impact kaum größer sein könnte, eine „starke Frau™“, die keine männlichen Eigenschaften zu übernehmen braucht, um sich durchzusetzen und am Schluss auch vor radikalen Entscheidungen nicht zurückschreckt, um zu proklamieren, dass es bis hierhin geht und keinen Schritt weiter, dass der Schlusspunkt des Titels in Wahrheit ein Anfang ist, ein Aufbruch in die Zukunft, frei von der Einflussnahme verseuchter Männlichkeit. Und das ist gut so. Dafür wird das weibliche Publikum „Nur ein einziges Mal“ feiern. Und den Film zum Hit machen. 

Thomas Schultze