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REVIEW STREAMING: „The Instigators“

Gewitzte Gaunerkomödie im Stil von Elmore Leonard, in der zwei ungleiche Typen für einen Gangsterboss Kohle vom korrupten Bürgermeister klauen sollen.

CREDITS: 
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 101 Minuten; Regie: Doug Liman; Drehbuch: Chuck MacLean, Casey Affleck; Besetzung: Matt Damon, Casey Affleck, Hong Chau, Michael Stuhlbarg, Paul Walter Hauser, Ving Rhames, Alfred Molina, Toby Jones, Jack Harlow, Ron Perlman; Plattform: Apple TV+; Start: 9. August 2024

REVIEW:
Die erste Querverbindung, die einem in den Sinn kommt, ist „Ocean’s Eleven“, auch eine Gangsterkomödie, in der Matt Damon und Casey Affleck tragende Rollen spielen, Damon als Polizistensöhnchen Linus und Affleck als Chaot Virgil an der Seite von Scott Caan. Aber der Vergleich hinkt. Die Gauner in „The Instigators“ sind keine Gentleman-Gangster, und Regisseur Doug Liman versucht in seinem zweiten Film in diesem Jahr nach seinem Frühjahrserfolg „Road House“ auf Prime auch nicht, der Eleganz von Steven Soderberghs nahe zu kommen. Vielmehr läge man richtiger, wenn man beim Vergleich auf einen anderen Film von Soderbergh verwiese, dem drei Jahre vor „Ocean’s Eleven“ entstandenen „Out of Sight“ und da speziell die zweite, eisig kalte Hälfte, die in Detroit spielt und ebenfalls ein paar Handlanger zeigt, die keine Einsteins sind, sondern bestenfalls Bauernschläue mitbringen. 

Hong Chau, Casey Affleck und Matt Damon in „The Instigators“ von Doug Liman (Credit: Apple)

Mit dem feinen Unterschied, dass die beiden Loser hier, ein „Ex-Marine“ und ein „Ex-Con“, die Sympathieträger sind: Man hält zu ihnen, wie man zu den Schlitzohren in Peter Yates‘ subversiver Krimi-Comedy „The Hot Rock“ gehalten hat. Mehr Elmore Leonard ohne tatsächliche Beteiligung oder Vorlage von Elmore Leonard ist jedenfalls kaum möglich. Mit trockenem Humor und geschliffenem Wortwitz folgt „The Instigators“ seinen beiden Helden, dem ehemaligen Marine Rory und dem Kleinverbrecher Cobby. Den einen lernen wir bei einer seiner regelmäßigen Sitzung bei seiner Therapeutin Dr. Rivera – die wunderbare Hong Chau – kennen, die an seinem Selbstwertgefühl arbeitet; den anderen erleben wir, wie er einen fünfjährigen Steppke in ein Alkoholteströhrchen blasen lässt, das sein Motorrad freischaltet, wenn er 0,0 Promille hat. Beiden wollen raus aus ihren Situationen.

93.000 Dollar wollte Lee Marvin als Walker in „Point Blank“; Rory reichen 32.480 Dollar. Cobby will nach einem Knastaufenthalt wieder die Füße auf den Boden bekommen. Für den gut verdrahteten Gangsterboss Mr. Besegai, gespielt von dem wie immer zuverlässigen Michael Stuhlbarg, sollen sie mit einem dritten Kompagnon nach der Bürgermeisterwahl die Kasse des sicheren Gewinners ausräumen, dem die Menschen mit Geldgeschenken ihre Aufwartung machen. Eine todsichere Sache, easy-peasy, rein und raus, 15 Minuten und alles ist erledigt. Wenn’s denn so läuft wie geplant. Es läuft nicht wie geplant. Nichts läuft wie geplant. Der haushohe Favorit verliert die Wahl, es ist fast kein Geld im Safe, bei der Flucht verlaufen sich die drei Räuber, es kommt zur Konfrontation mit dem ehemaligen Bürgermeister – Ron Perlman – und dem Polizeichef. Schüsse fallen, Blut fließt. Fortan befinden sich Rory und Cobby auf der Flucht und geraten von einer haarsträubenden Situation in die nächste, verfolgt von Handlangern des Gangsterbosses und der Polizei, irgendwann dann mit Rorys Therapeutin als Geisel an ihrer Seite. 

Doug Liman hält den Ball flach und das Tempo hoch. Er hat den goldrichtigen Groove für die Geschichte, ein gutes Auge für die hemdsärmeligen Location in und rund um Boston, fast wie ein frostig-winterlicher Gegenentwurf zum ewigen Florida-Sommer von „Road House“. Vor allem weiß der Mann, was lustig ist und wie man ein Maximum aus seinen Darstellern rausholt. Die Dialoge sind spritzig und witzig, der resignierte Sarkasmus von Afflecks Figur mixt sich gut mit der aufrechten Naivität von Damons Charakter, beide bekanntermaßen selbst in Boston aufgewachsen und daher mit einem guten Draht für Charakter mit blauem Kragen, Salz der Erde aus der Arbeiterklasse, zwei Abgehängte im Darwinismus in der US-Gesellschaft, Strizzis mit blutiger Nase, angezählt, aber nicht gebrochen. Wenn es nicht mehr weitergeht, gibt es garantiert eine Explosion, die man nicht erwartet. Wie sie sich durch eine brenzlige Situation nach der anderen kämpfen, ist der eigentliche Fun in einem Film, der alles richtig macht, sich nahtlos einreiht in die „Schnappt Shortys“, „Blues Brothers“ und „Logan Luckys“ der Filmgeschichte. Und die Musik ist auch noch gut. 

Thomas Schultze