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Ed Herzog: „Moritz ist ein absolutes Dialekt-Genie“

Der Eberhofer-Spezialist Ed Herzog führte Regie bei der sehenswerten Prime-Video-Comedy „Viktor Bringt’s“, die am morgigen Donnerstag startet. Er schwärmt von Marcus Pfeiffers Screwball-Dialogen und Moritz Bleibtreus Talent für Sprache.

Viktor Bringt's Crew am Set
Regisseur Ed Herzog (2.v.l.) mit Schauspieler Enzo Brumm, Kameramann Sebastian Edschmid und Schauspieler Moritz Bleibtreu (Credit: Julia Terjung)

Am 30. Mai startet auf Prime Video in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Comedy-Serie „Viktor Bringt’s“ von Real Film Berlin. SPOT sprach mit Regisseur Ed Herzog über das Format, bei dem Moritz Bleibtreu den Service-Techniker Viktor Kudinski für Elektrogeräte spielt, der auf seinen Berliner Touren Sohn Mika (Enzo Brumm) mitnimmt und vor allem auf exzentrische, prominent besetzte Kundinnen und Kunden trifft.

James Farrell, der Chef für internationale Originals bei Prime Video, sagte als Trend bei Series Mania 2023 vorher, dass Formate gar nicht immer teurer oder aufwendiger werden müssen, sondern auch wenige Settings effektiv sein können. Ist Ihre Serie „Viktor Bringt’s“ dafür jetzt ein gutes Beispiel?

Ed Herzog: Man denkt sich immer, wenn man nur ein Set hat, dass ein Format dann günstiger wäre. Das stellte sich aber als Trugschluss heraus. Teilweise ist es sogar schwieriger, ein Motiv über einen so langen Zeitraum zu blockieren. Ich fand es bei „Viktor Bringt’s“ eine schöne Aufgabe, dass jetzt so umzusetzen. Wir haben in jedem Motiv einen Tag geprobt und ungefähr vier Tage gedreht. Das war schon ein gewisser Luxus, dass wir den Probentag hatten.

Schaut man Ihr Format, kommen einem sofort positiv als Vergleich zwei andere deutsche Serienformate in den Kopf: „Warten auf’n Bus“ und „Der Tatortreiniger“. Sind das Formate, mit denen Sie sich verwandt fühlen können?

Ed Herzog: Zum „Tatortreiniger“, der sich in jeder Folge auch an einem anderen Ort aufhält und skurrilen Figuren begegnet, gibt es sicherlich Ähnlichkeiten. An das Format musste ich beim Lesen der Bücher auch denken. Ich bin selbst großer „Tatortreiniger“-Fan. Inhaltlich finde ich uns aber nochmal anders, weil wir mit dem von Moritz Bleibtreu gespielten Elektrotechniker Viktor Kudinski und dessen Sohn Mika gleich zwei Protagonisten haben. Wir machen zudem in jeder Folge ein übergeordnetes, philosophisches oder gesellschaftspolitisches Thema auf. Da geht es dann um das Mannsein in der heutigen Gesellschaft, um Liebe, um Glaube oder um den Umgang mit den eigenen Vätern.

„Das gibt es kaum, dass jemand solch einen Atem und Mut hat, eine 20-minütige Szene zu schreiben, in der in einem hohen Tempo und mit viel Witz geredet wird.“

Ed Herzog über Marcus Pfeiffers Drehbuch

Die Bücher zu „Viktor Bringt’s“ schrieb Marcus Pfeiffer, der auch Creator der Serie ist. Was gefiel Ihnen an diesen?

Ed Herzog: Marcus Pfeiffer ist ursprünglich aus München. Seine Eltern hatten einen Elektrofachhandel mit Technikern, die auch Waren auslieferten. In seinen Schulferien fuhr er dort mit, um Geld zu verdienen. Mir gefiel an den Büchern, dass jemand richtig gute Screwball-Comedy-Dialoge auf Deutsch geschrieben hatte. Das gibt es kaum, dass jemand solch einen Atem und Mut hat, eine 20-minütige Szene zu schreiben, in der in einem hohen Tempo und mit viel Witz geredet wird. Ich musste schon bei der Lektüre oft lachen. Und es hat dazu noch immer einen tieferen Sinn.

Wie viel Spaß hatten Sie daran, dass Moritz Bleibtreu für seine Rolle des Elektrotechnikers so überzeugend berlinert?

Ed Herzog: Moritz und ich trafen uns im Vorfeld und sprachen über die Figur. Meine Idee war, dass es schön wäre, wenn Viktor solch eine Färbung bekäme. Moritz hatte die gleiche Idee, dass er gerne berlinern würde. Wir probierten es im Casting. Moritz ist ein absolutes Dialekt-Genie. Bei „Faking Hitler“ switchte er als Konrad Kujau, der ursprünglich aus Sachsen kommt, aber in Baden-Württemberg lange lebte, je nach Situation und Stimmung zwischen den Dialekten. Er spricht darin einen Misch-Dialekt. Moritz kann unglaublich gut Dialekte nachahmen. Ich bin dabei auch empfindlich: Ich mag Dialekt, aber nicht, wenn er angekitscht ist. Moritz‘ Berlinerisch – das haben mir auch Berliner bestätigt – ist schon sehr glaubhaft. Es wirkt nicht draufgeschafft oder ausgestellt, sondern natürlich.

„Viktor Bringt’s“ war Ihr erstes Format mit einem Streamer. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?

Ed Herzog: Bei jedem Projekt hängt das davon ab, mit welchen Leuten man es zusammen umsetzt: wer es produziert und wer beim Streamer dafür verantwortlich ist. Bei den Öffentlich-Rechtlichen ist das nicht anders. Neuland war für mich mit den Streamern, dass sie in ihren Verträgen und Details stark von den USA geprägt sind.

Zum Beispiel?

Ed Herzog: In Folge zwei drehten wir mit einem Kaiman, der schwierig zu organisieren war. Einen Kaiman bekommt man nicht einfach bei einer Filmtier-Firma oder einem Tiertrainer. Wir kamen über einen Mann an das Tier ran, der eine Reptilienauffangstation in der Nähe von Karlsruhe betreibt. Amazon verlangte von uns, dass wir den Kaiman für die Dreharbeiten aber versichern. Normalerweise passiert das, wenn man über die Tierfilmagentur geht, automatisch. Wir fanden zunächst auch keine Versicherung, die einen Kaiman für Filmarbeiten versichern wollte. Ein anderes Beispiel: Unser Protagonist Viktor fährt in der Serie einen kleinen KIA-Transporter. Amazon wollte, dass wir von KIA eine Genehmigung einholen, dass die Nutzung des Fahrzeugs für sie okay ist. Das kannte ich nicht von sonstigen Produktionen. Ich habe mir dann vorgestellt: Wenn bei KIA in Südkorea eine E-Mail von einer deutschen Filmfirma eingeht, in der um die Erlaubnis für einen Dreh mit einem KIA-Fahrzeug gefragt wird. Was müssen die gedacht haben? Letztlich bekamen wir auch dort ein Okay. Aber dahingehend ist die US-amerikanische Filmindustrie viel vorsichtiger, was Markenschutz angeht.

Sollten denn auch Amazon-Produkte in der Serie vorkommen?

Ed Herzog: Nein, das mussten sie nicht. Da gab es überhaupt keine Vorgaben.

Ed Herzog am Set
Ed Herzog am Set (Credit: Julia Terjung)

ED HERZOG

Eigentlich sind Sie mit den Eberhofer-Verfilmungen der Experte für die Kino-Hits der vergangenen Jahre. Welche Vorteile hat die TV- oder Streaming-Arbeit?

Ed Herzog: Ich persönlich unterscheide dabei nicht so stark. Wenn mir ein Projekt vom Drehbuch und der Idee her gefällt, mache ich das fürs Kino oder einen Streamer. Beim Machen der Eberhofer-Krimis bewege ich mich in einem geschützten Kosmos, wo wir viel dürfen. Ansonsten sind im Kino immer große Erwartungen und Geld dahinter. Es reden auch viele Menschen mit. Beim Streaming habe ich das Gefühl, dass es definitiv mehr Nischen als im Kino gibt. Genrefilme auf Deutsch im Kino sind schwierig, weil das Publikum fehlt. Bei den Streamern funktioniert das besser: Zum Beispiel „Im Westen nichts Neues“ war in Deutschland für das Kino nicht zu produzieren, weil klar war, dass man damit dort nicht genügend Zuschauerzahlen bekommt. Bei den Streamern sehe ich immer wieder Formate, bei denen ich mir denke: Wow, das könnte man weder bei den Öffentlich-Rechtlichen noch für das Kino machen.  

„Viktor Bringt’s“ war wie schon „3 1/2 Stunden“ eine Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Real Film Berlin. Was schätzen Sie an diesen Partnern?

Ed Herzog: Henning Kamm und Sibylle Stellbrink von Real Film fragten mich vor ungefähr drei Jahren, ob ich „3 1/2 Stunden“ machen möchte. Das war eine sehr angenehme Zusammenarbeit und es wurde auch ein toller Film. Deswegen kamen sie auch bei „Viktor Bringt’s“ auf mich zu. Es ist schon hilfreich, wenn man sich kennt. Komödie ist nochmal ein bisschen anders als Drama, weil nicht alle dasselbe lustig finden. Aber ich glaube, wir haben dabei gute Kompromisse gefunden.

Prime Video ist gerade in Deutschland mit dem Comedy-Genre ziemlich erfolgreich: ob „LOL: Last One Laughing“ oder „Die Discounter“. Passt da „Viktor Bringt’s“ gut dazwischen?

Ed Herzog: Ich selbst bin großer „Discounter“-Fan. Von daher reihe mich gerne dort bei Prime Video ein. Wie unser Format dort reinpasst, kann ich nicht beurteilen. Das Schöne bei Streamern ist auch, dass unterschiedliche Formate im Angebot sind. Denn immer nur das Gleiche will man auch nicht gucken.

In Deutschland schauen die Menschen schon gerne immer wieder die gleichen Comedy-Staffeln, wenn man die Prime-Video-Wochencharts analysiert. „Viktor Bringt’s“ hätte auf jeden Fall das Potenzial, auch solch eine Feel-Good-Serie in der Feierabend-Routine zu werden. 

Ed Herzog: „Viktor Bringt’s“ ist vor allem für mein Dafürhalten kein Format, was man unbedingt in einem Rutsch durchbingen muss. Wir haben keine ausgeprägten Cliffhanger und auch keine so stark horizontale Storyline. Das ist ähnlich zu „Die Discounter“.

Was wird Ihr nächstes Projekt?

Ed Herzog: Es gibt ein Projekt mit der Constantin Film, an dem wir arbeiten, bei dem ich aber noch nicht weiß, wann wir es umsetzen. Das hat nichts mit den Eberhofer-Krimis zu tun.

Das Interview führte Michael Müller