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Oskar Roehler zu „Bad Director“: „Wo ist der Fun geblieben?“

Mit „Bad Director“, seinem ersten Film seit „Enfant terrible“, nimmt Oskar Roehler keine Gefangenen. Im Interview mit SPOT zum Filmstart am Donnerstag bei Weltkino auch nicht, in dem er von seinem privaten „Oskar-Roehler-Dogma“ berichtet und erklärt, warum er dringend vom Beruf Filmregisseur abrät.

Regisseur werden? „Don’t do it!“, rät Oskar Roehler

2015 riefen Sie „Tod den Hippies!! Es lebe der Punk“ aus. Wie Punk ist jetzt „Bad Director“?

Oskar Roehler: Mit dem Punk-Film bin ich abgezweigt von der Pseudo-Mainstream-Autobahn, die nirgendwo für mich hingeführt hätte und mich gänzlich zu neutralisieren drohte. Nach Filmen wie „Elementarteilchen“ und „Jud Süß“ hatte ich das Gefühl, abbiegen zu müssen. Der ganze Mainstream ist komplett uninteressant für mich geworden, seit es auch die amerikanischen Independents in der Form nicht mehr gibt, wie ich sie so mochte. Von welchem schwarzen Loch ist die Generation Tarantino/Rodriguez denn verschluckt worden? Wo ist der Fun geblieben? Ebenso befremdet mich, dass bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, überall, ab 20.15 Uhr immer nur Krimireihen laufen und die Leute das hinnehmen. Merkt das denn keiner? Zur kompletten Verblödung trugen außerdem die sogenannten Event-Zweiteiler mit selten grauenvollen Titeln bei, in denen deutsche Geschichte ausgeschlachtet wurde, um sie kommerziell in einer sehr fragwürdigen Art von Mainstream zu vermarkten. An Spießigkeit nicht zu überbieten. „Bad Director“ ist eine Replik darauf.

Trümmerfrauen-Romantik…

Oskar Roehler: Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre ist die große Epoche des deutschen Films zu Ende gegangen. Danach kamen Nazi-Unterhaltungsfilme. Ich habe das Gefühl, dass sich diese so tief in die Gene der Leute eingeschrieben haben, dass die Heinz-Rühmann-Periode und alles, was danach kam, auf dem gleichen pseudo-sentimentalen, pseudo-lustigen Muster weitergetrieben wurde, bis weit in die 1990er- und Nullerjahre hinein. Bis zu den erwähnten Event-Zweiteilern, die quer durch die ganze Republik entstanden. Jeder wollte einen machen. Die galten als Prestige.

Sie haben sich dem bewusst entzogen. Ihre Filme sind stolz auf ihre Verweigerungshaltung, um bewusst einen Gegenpol zu setzen. Aktuell nun „Bad Director“…

Oskar Roehler: Absolut. Es macht mir auch großen Spaß. Dass „Bad Director“ überhaupt das Licht der Welt erblickt hat, ist ein kleines Wunder. Irgendjemand sagte: Nur Oskar Roehler kriegt für so was Geld. Das nehme ich mal als Kompliment. „Bad Director“ ist der erste Film nach „Enfant terrible“, bei dem ich mich on the right track fühle. Ich habe eine Art Manifest für mich formuliert, eine Art 10-Punkte-Programm, was ich machen darf und was nicht. Mein privates Oskar-Roehler-Dogma.

Oliver Masucci und Bella Dayne in „Bad Director“ (Credit: Nachtlicht Film)

Interessant, dass sie Dogma erwähnen. Ein bisschen Lars von Trier lässt sich in „Bad Director“ durchaus entdecken…

Oskar Roehler: Vielen Dank.

… der auch einer der großen Unverstandenen ist.

Oskar Roehler: Das kann man mittlerweile so sagen. Wo er jedoch eine Zeitlang viel höher gehandelt wurde als ich jemals in meinem Leben – leider 😉 Diese Lust zu Experimentieren und auch die recht düstere, nihilistische Weltsicht und die Komik… das teile ich ein bisschen. Ich weiß gar nicht, ob ich deutsche Vorbilder habe.

Ein wenig Fassbinder sieht man schon in „Bad Director“, eine gewisse Strenge und Kargheit. Der Film hat auch etwas Leeres, was an „Eyes Wide Shut“ erinnert… Auch Ihr Held befindet sich auf einer Höllenfahrt durch eine fast surreale Welt…

Oskar Roehler: Leuten, die mich fragen, warum mein Held so unsympathisch ist, sage ich: Mein Held ist nicht unsympathisch, er ist mitten in einem Albtraum. Bei allem, was er versucht, prallt er sofort gegen eine unsichtbare Wand. Gregor Samsa ist ein alternder Regisseur, von Angst und Paranoia getrieben. Nichts ist OK, wenn man in so einem Geisteszustand ist. Er hat nicht den Optimismus eines normalen Bürger-Regisseurs. Ich kenne das sehr gut. „Bad Director“ ist kein Selbstporträt, das wäre zu weit gegriffen. Meine Hauptfigur benimmt sich auch nicht besonders gut, was gleichzeitig wiederum der Witz des Films ist. Aber natürlich ist es so, dass man vor den Möglichkeiten, die man im Kopf hat, wenn man schreibt und dreht, unglaublich weit zurückbleiben kann. Der Kontrollfreak Schriftsteller erleidet beim Drehen eines Films einen brutalen Kontrollverlust. Man muss nur einen schlechten Tag beim Schauspieler erwischen oder etwas in der Art – und schon klappt es nicht. Man ist psychisch ständig in einer Duellsituation, wenn man mit Leuten nicht klarkommt, was ich furchtbar finde. Ich bin aber auch kein Teamgeist, der sich unterordnet und sagt: Macht, wie ihr denkt. Das funktioniert bei mir nicht. Weil ich überhaupt Filme nur mache, um mir die Welt und alles, was damit zusammenhängt, einzuverleiben. Da kommt keiner raus. Die Leute haben keine Freiheit, wenn sie bei mir am Set sind. Ich folge beim Dreh einem ganz rigiden Plan. Wenn der nicht eingehalten wird, fange ich an, Angst und Panikzustände zu kriegen, nicht am Set, aber abends vor dem Einschlafen oder nachts… 

Aber trotzdem hätten Sie sich keinen anderen Beruf als den des Filmemachers aussuchen wollen, oder?

Oskar Roehler: Bei mir ist es an der Talentlosigkeit zum wirklichen Schriftsteller gescheitert. Ich wäre nichts lieber geworden als Schriftsteller. Dann hätte ich ein Buch nach dem anderen geschrieben wie Peter Handke oder Thomas Bernhard. Aber diese Gabe habe ich leider nicht. Immerhin habe ich jetzt in zehn Jahren vier Romane geschrieben. Aber das ist viel zu wenig. Bereits mit Mitte 20 habe ich begriffen, dass das auf keinen Fall was wird als Schriftsteller. Das war eine schreckliche Erkenntnis. Ich musste erst einige Jahre am Bau und im Café arbeiten, um den Schock zu überwinden, um ins Leben zurückzufinden. Dann kam der Film, den ich mir als Autodidakt mit der nötigen Besessenheit selbst erarbeitet habe. 

In Oliver Masucci haben Sie einen wackeren und unerschrockenen Mitstreiter gefunden. 

Oskar Roehler: Mit Oliver Masucci verstehe ich mich blind. Ich kann ihn komplett selbständig arbeiten lassen. Da gibt es nichts zu reden. Er kommt morgens rein, zieht seine Masucci-Show mit den von mir geschriebenen Texten ab und geht wieder nachhause. Ich halte mit der Kamera drauf. 

„Bad Director“ basiert auf Ihrem Roman „Selbstverfickung“. War Ihnen beim Schreiben des Romans schon klar, dass das mal ein Film werden würde?

Oskar Roehler: Überhaupt nicht. „Selbstverfickung“ sollte eigentlich nie ein Film werden. Ich habe daran gemerkt, dass ich mein Handwerk gelernt habe. Wo ich bei „Elementarteilchen“ an der Komplexität des Buchs irgendwie doch gescheitert bin, hatte ich jetzt das Gefühl, dass ich etwas herausdestilliert habe, was ein Thema ist. Da war ich stolz. Die Initialzündung war, als ich Federico Fellinis „Achteinhalb“ auf Mallorca auf großem Bildschirm angeschaut habe und total geflasht war. Diesen Film noch mal zu sehen, hat mein Leben, mein Altersleben komplett verändert. Ich war so geplättet, weil mir bewusst wurde, wie weit wir von solchen Meisterwerken entfernt sind. Fellini hat das Kino geliebt, trotz seines Pessimismus ist „Achteinhalb“ eine große Liebeserklärung ans Kino. Ich dachte mir danach, wenn ich das jetzt auch versuche, kann ich nur das Gegenteil davon machen und zeigen, was für ein elender Beruf und Mist es ist, das zu machen. Um alle darüber aufzuklären, die den Beruf lernen wollen: Don’t do it. Außer du bist ein Depp, der gute Nerven hat. Aber allen feinsinnigen Künstlern rate ich: Lasst die Finger davon. 

Das Interview führten Barbara Schuster und Thomas Schultze.