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AG Kino-Gilde: „Vielfalt unserer Filmkultur in Gefahr“

Vor dem Hintergrund drohender Kürzungen bei der Kinoförderung hat sich der Arthouse-Verband am Vortag der Verleihung des Deutschen Filmpreises noch einmal mit einem eindringlichen Appell an die Politik gewandt. Gewarnt wird vor einem „Kollaps“, sollten aktuelle Entwürfe nicht noch nachgebessert werden können.

Christian Bräuer sieht den Erhalt von Kulturstandorten und Arbeitsplätzen gefährdet. (Credit: Stefan Zeitz)

Die Debatte um die Förderreform geht in die entscheidende Runde – und aus Sicht der Kinos steuert die Umsetzung der Pläne vor dem Hintergrund der Haushaltsmisere derzeit auf eine mehr als unbefriedigende Situation zu. Oder um es mit den Worten der AG Kino-Gilde zu sagen: „Die drohende Abschaffung des Zukunftsprogramms Kino als unersetzliche Investitionshilfe für unabhängige Kinos, die Kürzung beim Kinoprogrammpreis des Bundes (im Raum steht nach SPOT-Informationen eine Kürzung um 200.000 Euro; Anm.d.Red.), die geplante Streichung der Kinoreferenzförderung und die noch unzureichende Berücksichtigung beim Reformvorschlag des Filmförderungsgesetztes – all das deutet auf einen kulturellen Kahlschlag im kommenden Jahr hin.“

Bedroht seien nach Ansicht des Verbandes vor allem die Programmkinos. Jene Häuser, die laut AG Kino-Gilde den „künstlerischen Film jenseits des Mainstreams überhaupt erst sichtbar machen“. Das man als Beispiel den Lola-Favoriten „Sterben“ heranzieht, der seit seinem Start vor einer Woche knapp 70 Prozent seiner Besuche in den Arthouse-Kinos verzeichnet habe, kommt natürlich nicht von ungefähr. Denn der Verband nutzt nicht zuletzt die Aufmerksamkeit rund um die morgige Verleihung des Deutschen Filmpreises, um sich noch einmal mit einem dringenden Appell an die Politik – auch und gerade jenseits der BKM – zu wenden. Aufgerufen wird nicht zuletzt dazu, die vielen offenen Fragen, die sich den Kinos stellen würden, „rasch zu klären“

Insbesondere setzt sich die AG Kino-Gilde dafür ein, das Zukunftsprogramm Kino als Investitionshilfe für Arthousekinos und Filmtheater in der Fläche weiterzuführen. Dies diene nicht nur „dem Erhalt kultureller Räume und damit der kulturellen Grundversorgung“, sondern vor allem auch „der Stärkung des geförderten deutschen Films und der Filmwirtschaft insgesamt“. Das Zukunftsprogramm Kino – das in diesem Jahr sage und schreibe 20 Sekunden nach Antragsstart überzeichnet war – habe sich demnach vom Start weg zum „größten Erfolgsmodell“ der deutschen Kinoförderung entwickelt und in den vergangenen fünf Jahren über 1.500 investive Maßnahmen ermöglicht. 

Ein entscheidender Punkt aus Sicht der AG Kino-Gilde: Es habe sich um Projekte gehandelt, die ohne dies Unterstützung nicht in diesem Umfang – beziehungsweise in vielen Fällen sogar überhaupt nicht – hätten realisiert werden können. Damit habe das Programm „wesentlich zum Erhalt der vielfältigen Kinolandschaft“ beigetragen. Zudem betont der Verband, wie entscheidend das ZPK auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Branche war: So seien allein 2023 knapp 25 Prozent der Mittel direkt in Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit geflossen, dazu mehr als ein Drittel in energieeffizientere Projektions- und Tontechnik. Wie viele Kinostandorte nach der extremen Ausprägung des „Windhundrennens“ in diesem Jahr vorerst auf der Strecke bleiben, ist derzeit noch offen; die AG Kino-Gilde geht von knapp 100 Standorten aus. Aus dem Umfeld der FFA war zudem zu vernehmen, dass voraussichtlich nur um die 60 Prozent der eingegangenen Anträge (das Portal wurde schon bald nach Antragsstart geschlossen) positiv beschieden werden können.

„Es ist (…) entscheidend, die Strukturreform jetzt im Schulterschluss mit ganzen Kräften und ganzheitlich umzusetzen.“

Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde

„Die Antragsflut beweist: Der Bedarf für Investitionen ist unverändert hoch. Mit dem Zukunftsprogramm Kino wurden wichtige Fortschritte erreicht, doch wir stehen noch immer inmitten der Transformation. Gerade Arthouse- und Landkinos, deren Arbeit einen enormen gesellschaftlichen und kulturellen Mehrwert auszeichnet, brauchen klare Perspektiven. Allein können sie die erforderlichen Investitionen in ökologische und digitale Modernisierung nicht stemmen“, stellt Christian Bräuer als Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde fest. Und weiter: „Die Streichung des Zukunftsprogramm Kino, ohne ein besseres Nachfolgemodell zu haben, verhindert nicht nur eine seriöse Investitionsplanung, sondern gefährdet auch den Erhalt von Kulturstandorten und Arbeitsplätzen. Eine Nachbesserung des Etats und die Fortführung des Programms sind ein Eckpfeiler der deutschen Kino- und Filmwirtschaft, ohne den uns der große Kollaps droht“.

Zudem setzt sich der Verband weiterhin nachdrücklich für eine Programmförderung über den Kinoprogrammpreis des Bundes ein – und damit für eine „angemessene Unterstützung“ der Kinos, die einen besonderen kulturellen Beitrag leisteten, indem sie „vielfältige Programme, Reihen und Sonderveranstaltungen organisieren und Angebote für ein junges Publikum machen“. Dass die Prämiensumme des Bundes, die engagierte kulturelle Filmarbeit würdigt und von der Jahr für Jahr rund 300 Kinos deutschlandweit profitierten, erstmals in der fast 50-jährigen Geschichte gekürzt werde, sei für den Verband ein „alarmierendes Signal“.

„Arthouse-Kinos tragen Filme, Themen und Diskussionen in die Nachbarschaft. Diese Filme brauchen jedes einzelne Kino und jeden einzelnen Gast, um entstehen und gesehen werden zu können. So sehr wir begrüßen, dass der Produktionsstandort Deutschland mit der geplanten Strukturreform gestärkt werden soll, ist die Vielfalt unserer Filmkultur in Gefahr, wenn die zentrale Rolle von Kino und Verleih im Ökosystem Film vernachlässigt wird“, so der Appell von Bräuer. Und abschließen: „Das Interesse an komplexen, herausfordernden Filmen in einer digitalen Medienwelt ist ungebrochen, gerade beim jungen Publikum. Hier eröffnen sich immense Potenziale – es muss uns gelingen, positive Entwicklungen zu verstetigen, um die Kunstform Kino dauerhaft zu stärken. Es ist daher entscheidend, die Strukturreform jetzt im Schulterschluss mit ganzen Kräften und ganzheitlich umzusetzen.“