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The Fithian Group: „Was zählt, ist Wachstum“

Mit dem Ziel, die Kinobranche weltweit zu stärken, haben im Herbst 2023 drei ehemalige Top-Executives des US-Kinoverbandes NATO die The Fithian Group gegründet. Wir trafen John Fithian, Jackie Brenneman und Patrick Corcoran in Las Vegas, um über ihre ambitionierten Pläne zu sprechen – zu denen auch ein neues Studio in Europa gehört.

John Fithian, Jackie Brenneman und Patrick Corcoran gründeten als einstige NATO-Kollegen im November 2023 ihr gemeinsames Unternehmen. (Credit: The Fithian Group)

Wie kam es zur Gründung der The Fithian Group, welche Idee steckte dahinter?

John Fithian: Wie Sie wissen, habe ich die NATO vor einem Jahr verlassen, um mich zur Ruhe zu setzen – und ich habe wirklich mein Bestes gegeben. Ich bin in die Berge zum Klettern gefahren, wir haben mit den Kindern Wale beobachtet und wir sind nach Griechenland gereist, in die Heimat meiner Frau. Aber nach drei oder vier Monaten änderten sich zwei wesentliche Dinge. Zum einen haben auch meine beiden langjährigsten Kollegen den Verband verlassen. Und zum anderen drängte mich meine Frau, das Haus wieder öfter zu verlassen, da ich sie sonst in den Wahnsinn treiben würde. Also haben wir uns bei Jackie zusammengesetzt. In einer Garage, wo ja alle großartigen Start-Ups ihren Anfang nehmen. Wir haben uns dort einen Plan für die The Fithian Group zurechtgelegt, die im Grunde ein Consulting-Unternehmen ist. Aber eines, das sich einem einzigen Ziel verschrieben hat: Wege zu finden, um die Kinoindustrie zu stärken – über Innovationen in der Produktion, im Verleih und im Kinogeschäft selbst. Schon jetzt gibt es einen Grundstock an Klienten, aber daneben gibt es auch langfristig angelegte Projekte, die sich allesamt auf das fokussieren, wofür wir drei unglaubliche Leidenschaft hegen: das weltweite Kinogeschäft. Wir arbeiten an Projekten in allen genannten Bereichen – und wird sind diese Woche in Las Vegas, um uns mit Dutzenden von Menschen zu treffen, die unsere Leidenschaft teilen und die bereits großes Interesse an diesen Projekten signalisiert haben. 

Wie ist das Verhältnis zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber?

John Fithian: Wir freuen uns, dass die NATO die Industrie weiterhin repräsentiert, an der Seite anderer großer Dachverbände wie der Global Cinema Federation oder der europäischen UNIC. Es arbeiten einige wirklich großartige Menschen in den Reihen dieser Organisationen, die das Bild unserer Industrie in die Öffentlichkeit tragen. Wir selbst fokussieren uns darauf, Unternehmungen aufzubauen, die diese Industrie stärken.

Was hat sich getan, seit Sie im November vergangenen Jahres angekündigt haben, wieder gemeinsam zu agieren? 

Patrick Corcoran: Zu den Themen, die sich uns als echte Problemfelder offenbart haben, zählt vor allem die Anzahl und Bandbreite der Filme, die den Kinos zur Verfügung gestellt werden – nicht nur mit Blick auf die USA, sondern weltweit. Wir sehen hier erhebliche Ineffizienz, das Unvermögen, Filme in diejenigen Häuser zu bringen, die am stärksten von ihnen profitieren könnten. Es gibt aus unserer Sicht auf Verleihseite kein ausreichendes Bewusstsein dafür, wie die Märkte heute aussehen, wie sie funktionieren. Denn wir sehen, dass an überholten Geschäftspraktiken festgehalten wird, an alten Vorgehensweisen, die auf der Überzeugung beruhen, dass bestimmte Filme nur auf eine bestimmte Weise funktionieren und dass es keinen Grund gibt, das auf den Prüfstand zu stellen. Eine der Klagen, die wir in unserer Zeit bei der NATO immer und immer wieder gehört haben, kam von Kinobetreibern, die einen bestimmten Film einsetzen wollten, weil sie überzeugt waren, dass er genau der richtige für ihr Publikum wäre. Die ihn aber nicht bekommen haben – und die auch nicht wussten, an wen sie sich wenden sollten. Wir waren dann gefragt, die Verbindungen herzustellen und uns in dieses sprichwörtliche Hamsterrad zu begeben, obwohl es doch ganz anders laufen müsste. Es müsste doch sofortige Bereitschaft da sein, sich zusammenzusetzen, wenn man sieht, dass da ein Kino ist, das einen Film erfolgreich einzusetzen verspricht. 

Das wollen Sie ändern?

Patrick Corcoran: Wir entwickeln eine digitale Plattform, die künftig Rechteinhaber, Verleiher und auch Filmemacher direkt mit den Kinounternehmen vernetzen soll – und die alle Seiten mit einer Vielzahl an Informationen versorgen soll, um so neue Partnerschaften zu ermöglichen. Beispielsweise soll auf einen Blick ersichtlich sein, wie die Zielgruppen eines Kinos aussehen, welche Inhalte dort in der Vergangenheit nachgefragt wurden, welche Programmstruktur man dort vorfindet. Verleiher wiederum legen dar, mit was für einem Film man es zu tun hat, auf welches Publikum man abzielt, welche Budgets im Hintergrund stehen, welche Kinos und welche Märkte sie mit dem Titel erreichen wollen. Alle diese Dinge sollen offen und transparent vermittelt werden. Vor allem aber soll die Plattform die Chance bieten, auch und gerade dann auf sich aufmerksam zu machen, wenn man die jeweiligen Kriterien vielleicht nicht erfüllt, aber dennoch guten Grund hat, eine bestimmte Partnerschaft anzustreben. Das gilt für alle Seiten. Die Kernidee ist es, die Gatekeeper abzuschaffen und damit gleichzeitig Kosten zu reduzieren. Aktuell beschäftigt man unzählige Disponenten, die die Kinos abtelefonieren; die sich mit Dingen herumschlagen, die sich erheblich effizienter, datenbasierter und demokratischer regeln lassen. Wir sind überzeugt, dass dies die Bandbreite der Kinofilme deutlich vergrößern wird. Weil es dafür sorgt, dass Kinoauswertungen erheblich profitabler werden.

„Jeder in dieser Branche versteht, dass es uns an kleinen und mittleren Filmen mangelt, die auf der Leinwand reüssieren.“

John Fithian

Im Kern geht es also auch um Datenaustausch. Nun beobachten wir seit vielen, vielen Jahren öffentliche und nicht ganz so öffentliche Debatten über dieses Thema, die bislang nicht zum großen Durchbruch geführt zu haben scheinen…

Jackie Brenneman: Man kann schon sagen, dass gegenseitiges Misstrauen eine gewisse Historie besitzt – und dass dass mitunter auch seine Gründe hat. Aber wie Patrick schon ausführte: Wir sprechen von einem rückwärtsgewandten Modell, von Gatekeepern. Das Modell muss sich ändern, denn die Märkte haben sich fundamental verändert. Damit beziehe ich mich nicht nur auf die Anzahl an Kinostarts. Der einzige Grund dafür, dass man in der Vergangenheit geradezu eine Wissenschaft daraus gemacht hat, sich bis ins kleinste Detail damit zu beschäftigen, welche Kopie an welchem Standort wie viel Geld eingespielt hat, war jener, dass es alleine um die 1200 Dollar gekostet hat, einem Kino eine Kopie zur Verfügung zu stellen. Geld, das natürlich wieder eingespielt werden musste. Die gesamte Industrie war um die Rechtfertigung dieser Kosten herum aufgestellt; um die Frage, wohin die Filmrollen oder später dann die “virtuellen” Filmrollen gehen. Virtual Print Fees existieren aber nicht mehr – und auch echte Filmkopien sind weitgehend verschwunden. Gut, das ist anders, wenn Christopher Nolan einen Film herausbringt. Aber im Großen und Ganzen gibt es diese Kosten nicht mehr – im Markt wurde jedoch nicht auf diese seismische Verschiebung reagiert. Wenn wir jetzt von einer datenbasierten Plattform sprechen, dann wird diese sicherlich auch historische Informationen beinhalten. Vor allem aber solche, die sich mit Demographien, mit Interessen und Zielgruppen befassen. Es gibt unzählige – und vor allem erschwingliche – Möglichkeiten, mit Datensätzen zu arbeiten, die noch nicht einmal von den Kinos kommen müssen. Die Idee ist, diese Daten mit Künstlicher Intelligenz aufzubereiten, ein Large Language Model aufzusetzen, das lernt und wächst. Ich bin überzeugt, dass sich viele der gegenseitigen Vorbehalte erledigen, wenn man ein System bereitstellt, das sich wirklich demokratisch anfühlt. Es geht nicht darum, persönliche Daten zu monetarisieren oder individuelle Informationen zu einzelnen Besuchern auszutauschen. Es geht darum, ein System aufzusetzen, das dazu beiträgt, die Kinos zu stärken, die Filme zu stärken – und die Zufriedenheit des Publikums zu steigern.

Filme in diejenigen Häuser zu bringen, die am stärksten von ihnen profitieren können, ist eines der Ziele der drei Partner (Credit: IMAGO/Seeliger)

Es soll ein langfristiges Projekt sein. Was heißt das für die zeitlichen Horizont?

Patrick Corcoran: Nun, das hängt von mehreren Faktoren ab…

John Fithian: Nicht zuletzt davon, wie die Meetings diese Woche verlaufen.

Patrick Corcoran: Absolut, das stimmt. Wissen sie, wir haben uns in der einen oder anderen Form schon während unserer Zeit bei der NATO über rund ein Jahrzehnt hinweg immer wieder mit diesen Dingen auseinandergesetzt, später auch im privaten Kreis. Zur potenziellen Realität wurden sie aber erst, als wir alle drei in die Lage kamen, uns darauf fokussieren zu können. Wir sind gerade dabei, mithilfe unserer Expertise und unserer Branchennetzwerke Partnerschaften aufzubauen und wir stehen kurz davor, ein Unternehmen festzunageln, das die Plattform umsetzen kann. Sehr kurz sogar. Das ist natürlich ein Schlüsselelement. Daneben wird es um Investoren gehen – und natürlich darum, Verleiher und Kinobetreiber an Bord zu holen. Wie es bei innovativen Projekten stets der Fall ist, wird man auch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen. Ein exaktes Timing kann ich daher nicht benennen, auch wenn es tatsächlich jetzt sehr schnell passieren könnte. Zumindest in unseren Köpfen ist es bereits ein langfristiges Projekt, da es sich dort über Jahrzehnte entwickelt hat. Wo ich aber gerne noch einmal den Faden von Jackie aufnehmen will: Weshalb kümmern uns Kopienschnitte – außer vielleicht noch für Marketingzwecke? Denn zusätzliche Kinoeinsätze bedeuten in praktisch jedem Fall mehr Geld. Es kostet heute schlappe 50 Dollar, einem Kino einen Film zur Verfügung zu stellen. Wenn man davon ausgehen kann, dass diese 50 Dollar dort eingespielt werden, dann sollte man den Film dort auch hingeben. Diese Überlegung steht im Zentrum des Projekts: Mehr Umsatz für alle zu generieren. Und noch einmal zurück zum zeitlichen Horizont: Der technische Teil wird unserer Ansicht nach am schnellsten umzusetzen sein. Denn die notwendigen Technologien existieren, es ist nur eine Frage ihrer Zusammenführung. Entscheidend ist vor allem, alle Beteiligten an Bord zu holen – und nachdem es vor allem darum geht, Filmen den Weg auf die Leinwände zu ebnen, stellen die Kinounternehmen natürlich Schlüsselpartner dar. Wir wollen ihnen nichts dafür berechnen, Teil des Systems zu sein. Denn das ist elementar, das lässt die Idee aufgehen.

John Fithian: Da stimme ich Patrick ganz und gar zu. Wir haben auch nicht vor, auf den Plan zu treten und im Handstreich ein Verleihsystem abzulösen, wie es etwa eine Disney oder Universal nutzen. Wir sprechen nicht von den ganz großen Blockbustern, die ohnehin sehr breit ausgewertet werden. Wir haben gemeinsam mit allen großen Studios über unsere Pläne gesprochen und man betrachtet diese dort als etwas ergänzendes, unterstützendes. Man erkennt, dass wir uns an kleine unabhängige Verleiher wenden und auch an Filmschaffende, die einfach ihre eigenen Werke an ein Kinopublikum bringen wollen – und dass wir damit der Industrie helfen wollen, zu wachsen. Denn jeder in dieser Branche versteht, dass es uns an kleinen und mittleren Filmen mangelt, die auf der Leinwand reüssieren. Sie schaffen es nicht, weil sie entweder nur direkt in den Stream gehen; weil sie nicht an die richtigen Orte gelangen, oder weil sie nicht die nötige Aufmerksamkeit erreichen. Deshalb erfahren wir vom Großteil der Industrie ausdrückliche Unterstützung für dieses Projekt. Weil jeder eine insgesamt starke Verleihbranche will – und weil niemand will, dass die etwas reduzierten Startpläne der Majors in der Konsequenz zu Kinoschließungen führen. Von daher hat man überhaupt kein Problem mit dem, was wir anstreben.

Jackie Brenneman: John hat gerade schon das Thema „Aufmerksamkeit“ gestreift. Das ist ein entscheidender Punkt, denn es wird für kleinere Filme immer schwieriger, die nötige Aufmerksamkeit zu generieren. Das ist aktuell ein gewisser Teufelskreis: Die Menschen gehen seltener in die Kinos und sehen damit auch weniger Trailer. Wenn sie keinen Kabelanschluss mehr haben, sehen sie auch zuhause immer weniger Werbung für Filme. Und obwohl Werbung bei den Streamingdiensten eine immer größere Rolle spielt, konnte ich dort bislang noch keine Clips für kommende Kinofilme sehen. Damit sind wir wieder bei unserer Plattform: Denn was wir erreichen können, ist die Kosten für die Platzierung der Filme in den Kinos massiv zu reduzieren. Das wiederum erlaubt es, die Ressourcen auf das Marketing zu fokussieren, was insbesondere für kleine Verleiher bedeutend ist. Unser System versetzt zudem die Betreiber in die Lage, effektiver mit ihren Zielgruppen in Kontakt zu treten. Wir erleben immer wieder diese Überraschungen, wenn Konsumenten im Netz auf einen Film aufmerksam geworden sind und ihn für sich entdeckt haben. Nun, die Menschen, die online sind, bewegen sich auch im echten Leben. Es gibt die Ansicht, dass junge Menschen nahezu ihre gesamte Zeit mit ihren Smartphones zubringen und deshalb nicht mehr in die Kinos gehen. Tatsächlich aber tauschen sie sich darüber auch über Filme aus – und je mehr Kinofilme es gibt, über die sie sprechen können, und je mehr sie darüber wissen, desto besser.

Patrick Corcoran: Daran will ich gerne noch anknüpfen. Man spricht auch darüber, dass ältere Zielgruppen nicht zurückkommen würden. Doch, das tun sie. Für die großen Filme, für die Filme, die sie erreicht haben. Ein Nebeneffekt des Streamings ist leider, dass die Menschen kaum noch Werbung für neue Kinofilme sehen. Also müssen wir uns fragen, wie man sie anderweitig erreichen kann. Es geht darum, effizienter zu sein, Märkte und Zielgruppen besser zu adressieren und mehr Ressourcen für gezieltes Marketing freizumachen. Was wir darüber hinaus benötigen werden, ist ein Marketingfonds für Filme, die dafür kein eigenes Budget mitbringen, für die aber eine echte Nachfrage seitens der Kinobetreiber besteht. Schauen wir uns doch das letzte vorpandemische Jahr an: Damals gab es rund 700 Filme, die auf weniger als 1000 Leinwänden gestartet wurden. Zusammen haben sie rund 411 Mio. Dollar eingespielt, wobei die stärksten 100 von ihnen für gut 90 Prozent dieses Umsatzes standen. Wir hatten es also mit einer Riesenflut an Filmen zu tun, die niemand gesehen hat. Wenn der Release also nicht nur reiner Eitelkeit geschuldet war, sehen wir eine enorme Ineffizienz, die Unfähigkeit, Kinos zu erreichen, die potenziell mehr herausgeholt hätten. Schon auf diesem Level gibt es großes Potenzial, Ergebnisse zu verbessern – und das summiert sich.

„Die Zeit ist reif für positive Veränderungen“

Patrick Corcoran

Sie haben schon angedeutet, dass auch die Produktion im Fokus ihrer Pläne steht?

John Fithian: Die Produktion ist das zweite große Thema neben der Distributionsplattform. Für letztere hatte Patrick die Idee entwickelt, für erstere ich – jeweils in unserer Zeit bei der NATO. In unserer Rolle als Repräsentanten der gesamten Industrie konnten wir sie dort aber nicht Früchte tragen lassen. Die Idee für die Distributionsplattform hatten wir sogar im NATO-Vorstand vorgetragen, wo man sie für gut befand – aber auch klarstellte, dass der Verband sie nicht würde umsetzen können. Das gleiche gilt für den Produktionsbereich. Der Plan ist, eine moderne, KI-unterstützte, virtuelle und reale High-Tech-Produktionsstätte in Europa zu eröffnen.

Warum gerade Europa?

John Fithian: Es gibt in den USA zahlreiche moderne oder zumindest halbwegs moderne Produktionsstätten. Aber diese machen sich KI nicht vernünftig zunutze. Schlicht deshalb, weil die Gewerkschaften KI nicht als Teil der Filmproduktion sehen wollen. Virtuelle Produktionsumgebungen gibt es in den USA zwar – und sie sind gut. Aber es sind zu wenige. Wir wollen eine herausragende Produktionsumgebung schaffen, die dann im Gegenzug auch mit unserer Distributionsplattform vernetzt wird. Wir wollen europäische und asiatische Filme über dieses Netzwerk in die USA bringen – und umgekehrt. Hauptgrund, das Augenmerk auf Europa zu richten, ist unterdessen, dass wir im europäischen Produktionsgeschäft großes Wachstumspotenzial in allen Bereichen sehen; tatsächlich würden wir uns auf Produktionsseite nicht nur auf Kinofilme beschränken, sondern die ganze Bandbreite spielen, also etwa auch TV- und Werbefilmproduktionen. Nun ja, und es gibt noch einen Grund: Ich lebe ohnehin zeitweise in Europa.

Wie weit ist das Vorhaben schon gediehen?

John Fithian: Wir haben einen Partner, der auf virtuelle Produktionstechnologien fokussiert ist – und darauf, neue Studios auf Basis dieser Technologien aufzubauen. Wir haben eine Fläche im Auge, die geradezu perfekt wäre. Aber wir haben noch nicht unterzeichnet, deswegen werde ich noch nicht verraten, wo sie sich befindet. Schließlich wollen wir keinen potenziellen Mitbewerber mit der Nase darauf stoßen. Und sowohl wir als auch uns Partner stehen bereits im engen Austausch mit potenziellen Investoren, wobei wir uns auf jene im Land selbst konzentrieren, während unser Partner mit solchen von außerhalb spricht, die sich bereits an anderen Studios beteiligt haben. Entschuldigen sie, dass ich nicht ins Detail gehen kann, aber sie kennen das ja mit den NDAs…

Wir dürfen aber davon ausgehen, dass es sich um ein Land mit starker Anreizförderung handelt?

John Fithian: Es ist in der Tat ein Land mit einem sehr starken Fördersystem. Eines, das dieses nicht immer hatte – und dessen Wirtschaft heute auch erheblich besser dasteht als früher. Auch dank eines Regierungschefs, der an Investitionen aus dem Ausland glaubt. 

Patrick Corcoran: Was dieses Vorhaben unter anderem so aufregend macht, ist die Tatsache, dass sich Kinomärkte mit starker lokaler Filmindustrie erheblich schneller erholen als andere – und dass diese lokalen Titel ihre Marktanteile auf breiter Front ausbauen. Die Ironie in den USA ist, dass es dort im Grunde keine lokale Filmindustrie in diesem Sinne gibt. Sondern eine gigantische internationale Filmindustrie, die hier ihren Hauptsitz hat. Unseren Plänen liegt nicht zuletzt die große Zuversicht zugrunde, dass es echtes Wachstumspotenzial in den Filmindustrien dieser Welt gibt; die Chance auf Wandel, auf Experimente und Innovationen. Die Zeit ist reif für positive Veränderungen. Dafür, Dinge neu und anders anzugehen – und dadurch Wachstum zu generieren.

In der Frage, inwieweit Tools wie Sora Kreative ersetzen könnten, herrscht auch innerhalb der The Fithian Group keine 100prozentige Einigkeit. (Credit: IMAGO / CFOTO)

Nun gibt es Menschen, die im Text-zu-Video-Generator Sora schon jetzt einen absoluten Gamechanger sehen, der Studios komplett obsolet machen könnte. Wie beurteilen Sie das Thema?

John Fithian: Studios werden niemals komplett obsolet sein. Schlicht deswegen, weil das Konzept dahinter so vielschichtig ist. Weil wir von Expertise auf ganz unterschiedlichen Ebenen sprechen, bis hin zu Marketing und Verleih. Wir wollen ein System aufbauen, das an diesen Stellen unterstützt, das die Strukturen aber nicht komplett ersetzt. Auch für virtuelle Produktion benötigt man noch ein Backlot, man benötigt Kostümdesigner, man benötigt all das, was Teil einer großen Produktion ist, KI hin oder her. Es ist durchaus möglich, dass die Studiostrukturen in Zukunft etwas schrumpfen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemals ganz verschwinden.

Jackie Brenneman: Ich glaube es hängt auch davon ab, wie man „Studio“ definiert. Ich denke, wir sprechen im Kern von einer Gruppe von Menschen, die kreativ agiert, die eine Geschäftsstrategie verfolgt. Die eine Idee nimmt und daraus einen Film entwickelt, der in der Lage ist, die Menschen weltweit emotional zu berühren. Sollte es zutreffen, dass KI all das ersetzen kann, stünde diese Unterhaltung unter keinem guten Stern. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass KI an vielen Stellen Effizienz schaffen kann. KI kann Unmengen an Daten verarbeiten und Muster erstellen, die aber ohne weitere Analyse nicht viel wert sind. Die Frage der KI stand nicht umsonst im Zentrum der Streiks. Denn gerade aus Sicht der kreativen Gemeinschaft geht es in der Frage, ob man durch einen Algorithmus ersetzt werden könnte, um das Herz dessen, was Kreativität und Menschlichkeit ausmacht.

Patrick Corcoran: KI kann weder Urteilsvermögen noch Geschmack ersetzen, sie kann weder Emotionen noch Menschlichkeit ersetzen. Sie ist nicht mehr als ein Werkzeug.

Jackie Brenneman: Und sie kann für keine Überraschungen sorgen.

Patrick Corcoran: Oder für Entdeckungen. Künstlerisches Schaffen bedeutet auch, Fragen zu stellen, eine Geschichte immer wieder zu hinterfragen und sich im Laufe des Prozesses selbst zu überraschen. Technologie hat den Zweck, Vorgänge zu vereinfachen, um mehr Zeit und Raum für die menschliche Komponente zu schaffen; nicht sie zu ersetzen. 

Jackie Brenneman: Lassen Sie drei verschiedene Stakeholder auf ein Datenset schauen – und sie werden Ihnen ein Dutzend unterschiedlicher Dinge darüber erzählen. Denn ohne Einordnung, ohne Kontext, bedeuten Daten erst einmal gar nichts.

John Fithian: Ein klein wenig muss ich widersprechen, was den Ersatz menschlicher Arbeitsleistung anbelangt. Stellen sie sich einen Writers‘ Room vor, in dem zehn Autoren bis zum Abwinken über Konzepten brüten. Benötigt man wirklich alle zehn? Oder reichen vielleicht drei, die sich beim Erstellen eines Basiskonzepts von KI unterstützen lassen? Ähnlich sieht es in anderen Bereichen aus. Die WGA war nicht umsonst so entschlossen, in den Kampf gegen den Einsatz von KI zu ziehen. Das menschliche Element wird man immer benötigen. Urteilskraft, Emotion, die Fähigkeit, sich überraschen zu lassen – und nicht zuletzt den Humor. Aber benötigt man es wirklich im bisherigen Umfang, oder kann KI einen Teil davon ablösen? Ich weiß, das sind existenzielle Fragen, an denen echte Jobs hängen. Aber ich denke schon, dass KI etwas von dem übernehmen kann, was heute noch von Menschen getan wird.

Jackie Brenneman: Nun, Patrick und ich kommen aus dem kreativen Bereich, deshalb haben wir eine etwas andere Einstellung zu dieser Frage…

„Das Modell muss sich ändern, denn die Märkte haben sich fundamental verändert.“

Jackie Brenneman

Die Streiks hatten jedenfalls direkte Auswirkungen auf die Startlisten. Wie hart denken Sie, wird 2024 für Studios und Kinos, nachdem die Branche ohnehin noch unter den Folgen der Pandemie leidet?

Patrick Corcoran: Im Zuge der Pandemie haben sich durchaus Chancen eröffnet. Denn die törichte Idee, nur auf Streaming zu setzen, wurde durch die in diesem Zuge gemachten Erfahrungen förmlich weggewischt. Das konnte von Anfang an nicht funktionieren. Das Kino außen vor zu lassen, ist ein Fehler. Das Produktionsniveau bei den Kinofilmen war unterdessen schon vor der Pandemie zu gering, um Wachstum für die gesamte Industrie generieren zu können. In der Vergangenheit wurde eine ganze Reihe an Fehlern gemacht, durch die sich jetzt aber Chancen für jene eröffnen, die sie nutzen können – was für eine ganze Reihe an Unternehmen nicht gilt, die zwar die Bereitschaft hätten, die aber aktuell durch ihre Verbindlichkeiten ausgebremst werden. Das ebnet den Weg für andere, die in den Kinofilmbereich vorstoßen wollen; die mehr Filme herausbringen wollen und die Verleih und Marketing neu denken. In diesem Sinne bewahrheitet sich, dass in jeder Krise auch eine Chance steckt. Was 2024 anbelangt, bin ich der Ansicht, dass das Jahr jetzt schon etwas besser aussieht als noch vor ein paar Monaten. Sicherlich war das erste Quartal Ausdruck der Tatsache, dass es zu wenige Filme gab. Aber das Defizit sinkt. Die Ergebnisse lagen zuletzt noch um etwa zehn Prozent hinter jenen aus 2023. Das ist natürlich noch zu wenig, es wäre besser, da noch ordentlich etwas draufzusatteln. Aber das Jahr scheint sich nicht zu jenem Desaster zu entwickeln, das wir alle erwartet haben. Gerade im Kinobereich sehen wir zudem zahlreiche Unternehmen, die in der Lage waren, ihre Betriebsabläufe über Rationalisierungen so weit an die momentane Situation anzupassen, dass sie auch jetzt tatsächlich Geld verdienen. In dem Moment, in dem die Filmversorgung wieder besser wird, befinden sich diese Unternehmen in einer wirklich guten Position.

John Fithian: Ich würde gerne noch auf etwas zurückkommen, das Patrick kurz angerissen hat – und zwar geht es darum, worauf man den Fokus legt. Wir treffen uns in Hollywood laufend mit Filmschaffenden und Managern; speziell Patrick arbeitet viel mit Analysten und Journalisten im Finanzbereich. Dadurch erkennen wir, dass diese andauernd ausgewälzten Untergangsszenarien, vor allem jene die Kinos selbst betreffend, auf einem zu verengten Blick darauf basieren, was in der Welt geschieht. Wir haben es schon erlebt, dass wir in Los Angeles mit etablierten Filmschaffenden zusammensaßen, die sich beklagten, dass es im Kinomarkt keine Innovationen gebe, dass man nicht das Erlebnis bekomme, das man sich wünsche, wenn man ein Kino besuche. Man habe gelesen, dass Regal bankrott sei und AMC massive Probleme habe. Und da solle man seinen Film fürs Kino machen, wenn man so viel Geld von den Streamern erhalte? Gehe das Kino nicht unter? Ähnlich sieht es in New York und an der Wall Street aus, wo Analysten ihre Einschätzungen einzig und alleine auf US-Unternehmen und einige wenige Häuser in Los Angeles und New York stützen. Das ist alles, was sie sehen; alles, worüber sie lesen. Wir hingegen treffen uns andauernd mit internationalen Betreibern, von denen viele nach der Pandemie verdammt schnell wieder positive EBITDAs in den Bilanzen hatten. Sind sie schon dort, wo sie hinwollen? Nein, keineswegs. Aber sie verdienen Geld. Wir haben mit vielen Menschen gesprochen, die so sehr an die Zukunft dieser Branche glauben, dass sie expandieren wollen, dass sie Übernahmen ins Auge fassen. Wenn die Finanzpresse in den USA von einer sterbenden Branche schreibt, sieht sie nicht das ganze Bild. Sie sieht nicht die starken Player im eigenen Markt. Sie sieht aber vor allem nicht, wie stark das Geschäft weltweit schon wieder ist. Wissen Sie, auf die USA entfallen etwa 30 Prozent des globalen Boxoffice. Und an diesen 30 Prozent, an weniger als einem Drittel, misst die Presse einen weltweiten Markt.

In Deutschland sagt man „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“, tatsächlich wurde hier schon vor der Pandemie über viele, viele Jahre von einem Kinosterben geschrieben, während die Zahl der Filmtheater kontinuierlich gestiegen ist.

Jackie Brenneman: Irgendwie ist es schon verrückt, dass solche Artikel in einem postpandemischen Umfeld Bestand haben. Kann es zutreffen, dass es den Konsumenten einzig und alleine um den Film geht, dass sie Kinos nur so lange aufgesucht haben, solange sie diese Filme nicht anderweitig sehen konnten? Es gibt Umfragen, in die man das bis zu einem gewissen Grad hineinlesen könnte. Womit wir wieder beim Thema wären, was Daten ohne Interpretation wert sind. Aber blicken wir doch auf die Realität: Wir kommen aus einer Zeit, in der die Menschen jeden Film, den sie sich nur wünschen konnten, direkt in die Wohnzimmer geliefert bekommen haben – und das mit Marketingkampagnen im Rücken, wie sie normalerweise Kinostarts vorbehalten sind. Trotzdem sind sie zurückgekommen. Und nicht nur das: Für etliche Filme sind sie in einem Ausmaß zurückgekommen, das über dem vorpandemischen Niveau lag. Und warum? Weil es einen fundamentalen Unterschied macht, ob man einen Film zuhause, oder ob man ihn im Kino sieht. Deswegen ist die einzige Frage, mit der wir uns wirklich beschäftigen müssen: Warum? Warum sind die Menschen zurückgekommen? Und wie können wir die dahintersteckenden Bedürfnisse noch besser bedienen? Unser Geschäft heißt nicht „Filme“. Unser Geschäft ist das Kinoerlebnis, es dreht sich darum, Menschen in einer Gemeinschaft zusammenzubringen. Je besser wir verstehen, was die Alleinstellungsmerkmale sind, die das Kino für die unterschiedlichen Besuchergruppen bietet, desto gezielter können wir Innovationen umsetzen, desto stärker können wir wachsen. Denn wir alle drei, die wir auf dieser Couch sitzen, sind felsenfest davon überzeugt, dass wir es nicht mit einer Industrie zu tun haben, die sich lediglich wieder stabilisiert. Sondern mit einem echten Wachstumsbereich.

„Wer Filme ohne jegliches Fenster einsetzt, macht sich zum verlängerten Marketingarm von Netflix.“

John Fithian

Hinzu kommt, dass der Wert eines Films für folgende Auswertungsstufen steigt, wenn er im Kino läuft.

Patrick Corcoran: Völlig richtig. Und die Studios wissen es. Sie haben ihre eigenen Daten – und die belegen genau das. Nicht umsonst sagt jemand wie (Warner Bros. Discovery-Chef) David Zaslav, dass sich Filme quasi in Luft auflösen, wenn man sie nur im Stream startet, dass diese Titel niemanden kümmern. Wenn man sie aber zuerst ins Kino bringe, würden sie dort ihr Geld machen – und würden später im Stream dann umso mehr gesehen. 

Jackie Brenneman: Dazu übrigens noch eine interessante Beobachtung, die man während der Pandemie anstellen konnte: Wenn Sequels direkt auf den Plattformen veröffentlicht wurden, wurden sie von gleichzeitig verfügbaren Vorgängern, die eine Kinoauswertung im Rücken hatten, in jedem einzelnen Fall geschlagen. Nur ein Beispiel: „Hocus Pocus 2“ war sieben Wochen lang in der Top Ten von Disney+ – der Vorgänger schaffte dann 22 Wochen…

John Fithian: Das war der Silberstreif am Horizont der Pandemie.

Patrick Corcoran: Wir haben mit der NATO jahrzehntelang erfolgreich für den Erhalt des exklusiven Kinofensters gekämpft. Ja, es ist letztlich geschrumpft. Aber nicht verschwunden – und es ist zuletzt wieder ausgeweitet worden. Die einzige Zeitspanne, in der man eindeutige Erkenntnisse darüber gewonnen hat, was mit einem kompletten Verzicht auf diese Fenster geschieht, wurde uns durch die Pandemie aufgezwungen. Denn die Kinobetreiber, die die NATO vertritt, waren so verzweifelt, Filme zu bekommen, dass sie entsprechende Titel trotz allem genommen haben. Ultrakurze Fenster oder sogar ein zeitgleicher Streamingrelease: Hauptsache, man hatte Produkt. Klar, wir wollten die Pandemie überleben. Nebeneffekt waren aber diese wirklich erstaunlichen Daten darüber, welchen Unterschied eine vernünftig bemessene Kinoexklusivität macht. Sie schafft Aufmerksamkeit für einen Film, macht ihn zum Tagesgespräch, bringt ihn erst ins Bewusstsein der Leute. Weil er dort ein Event ist, wo man ihn gemeinsam erlebt. Und wenn er dann später in den Stream kommt, läuft er dort viel, viel besser. Fast jeder in Hollywood versteht das. Apple und Amazon verstehen das. Das einzige Unternehmen, das es nicht verstehen will, ist Netflix. Aber gut, das ist halt Netflix…

In den USA ging „Dune“ 2021 im Rahmen des „Project Popcorn“ zeitgleich zum Kinostart in den Stream. Keine gute Strategie, befindet Patrick Corcoran. (Credit: Warner Bros. Pictures)

Glauben Sie denn, dass es seitens der Kinos ein kluger Schachzug war, die Türen für Netflix zu öffnen, die ganz offenkundig kein Interesse an einem Ausbau der Partnerschaft haben?

John Fithian: Diese Frage hätte ich in meiner einstigen Rolle nicht beantworten können – jetzt schon. Während der Pandemie hatte man meiner Ansicht nach im Grunde keine Wahl. Die Kinos haben Filme benötigt. Punkt. Ein Kinobetreiber, der heute noch Filme einsetzt, die keinerlei exklusives Fenster haben und zeitgleich ins Streaming gehen, handelt meiner Ansicht nach töricht. Denn es geht auch darum, den  Streamern zu beweisen, dass sie klug beraten wären, mehr Filme vorab mit einem Kinofenster zu starten. Wer dennoch Filme ohne jegliches Fenster einsetzt, macht sich zum verlängerten Marketingarm von Netflix, er handelt nicht wie ein Kinounternehmer. Wem etwas an der langfristigen Lebensfähigkeit unserer Branche liegt, der sollte das nicht tun.

Jackie Brenneman: Ich würde das ein klein wenig differenzierter betrachten. Denn die Intention macht einen Unterschied. Soweit es jene ist, Kinos als PR-Plattform zu nutzen, wird man den Start auch nur mit entsprechend überschaubarem Marketing begleiten, wird das Einspielergebnis im Grunde keine Rolle spielen. Tatsächlich lässt sich mit dieser Argumentation auch das Gesicht wahren, wenn ein Film keine Kasse macht – es war ja ohnehin nur PR… Man gibt sich keine Mühe, man geht nicht so breit raus, wie man könnte, man versucht nicht einmal, das Optimale herauszuholen. Meines Wissens existieren entsprechende Daten zwar nicht, aber stellen wir uns einmal vor, dass ein Film wirtschaftlich insgesamt besser abschneidet, wenn man ihn nach drei oder vier Wochen in den Stream gibt und nicht sechs Monate wartet. Wenn das ein Anreiz für die Studios ist, mehr in diese Filme zu investieren… Der Punkt ist: Wir müssen ein Geschäftsmodell finden, das sie unterstützen. Wenn das mehr Kinostarts bedeuten würde, die aber mehr Marketingbudget im Rücken hätten und bei denen man sich wirklich engagiert darum bemühen würde, möglichst viel Publikum zu erreichen, dann wäre das eine andere Geschichte. Stellen Sie sich vor, sie gehen ins Kino und es gibt eine derart große Auswahl, dass auf den Leinwänden Filme im Wechsel gespielt werden, dass man sich sicher sein kann, dass etwas läuft, das man sehen will, egal, wann man kommt. Das wäre großartig. Das aber ist nicht der Fall. Und wenn man uns nur Brotkrumen lassen will…

John Fithian: Ich widerspreche da gar nicht. Du setzt Dich für eine flexible Praxis ein, das tue ich auch.

Jackie Brenneman: Unter der Voraussetzung, dass man sich wirklich ins Zeug legt, um die Menschen für den Film ins Kino zu bringen. Das geschieht in dieser Kombination aber nicht.

John Fithian: Wichtig ist: Ich denke, die Studios haben ihre Lektion gelernt. Denn während der Pandemie waren sie drauf und dran, ein vermeintlich sinkendes Schiff zu verlassen.

Patrick Corcoran: Sie haben sie in der Tat gelernt – und ich kann sie einzeln durchgehen: Warner hat ein Jahr lang Filme zum Kinostart in den Stream gebracht, weil AT&T-Mann Jason Kilar dachte, dass es eine gute Strategie für Max sei. Es zeigte sich, dass das nicht der Fall war. Warner hat eine ganze Reihe an Filmschaffenden verloren und die guten Beziehungen zu den Kinobetreibern beschädigt. David Zaslav wiederum hat die Daten gesehen – und er glaubt an die Kraft der Kinoexklusivität als Treiber für Max. Nun ist das Unternehmen leider noch so schuldenbelastet, dass er noch nicht in der Lage war, die Startlisten voll hochzufahren. Aber das wird er tun, das war schließlich mit ausschlaggebend dafür, dass er das Studio übernommen hat. Universal ging beim Schrumpfen der Fenster vielleicht sogar am aggressivsten vor, sie haben jedenfalls sehr frühzeitig PVoD-Deals mit den Kinoketten abgeschlossen. Aber es handelte sich wie gesagt um PVoD, nicht um SVoD – und für größere Filme ging man auf 30 statt 17 Tage. Was Peacock anbelangt, verstehen sie, dass man etwas nicht umsonst hergibt, bevor man im Kino Geld verdient und die Marke aufgebaut hat.

Jackie Brennman: Und Universal produziert wirklich viele Filme. Weil sie an das Modell der Kinoauswertung glauben.

Patrick Corcoran: Das stimmt, sie starten mehr Filme als jeder andere. Shari Redstone wiederum hat voll auf Paramount+ gesetzt und auch das Management umgekrempelt, um sich künftig auf Streaming, anstatt auf das Kinogeschäft zu fokussieren. Aber sie hat Kinofenster nie aufgegeben. Das Kino steckt ihr offenkundig im Blut, schließlich hat sich ihre Familie damit etabliert. Und auch wenn statt Jim Gianopulos nun Brian Robbins am Ruder sitzt, bringen sie eine Menge Kinofilme mit langen Kinofenstern heraus. Warten wir ab, was geschieht, ob sie verkauft werden oder nicht. Sony wiederum ist voll auf Kinostarts fokussiert, weil sie keinen Streamingdienst haben

„Kann es zutreffen, dass es den Konsumenten einzig und alleine um den Film geht?“

Jackie Brenneman

Hier bei der CinemaCon setzen sie in diesem Jahr aber aus – und sie zählten in der Pandemie zu den ersten, die große Filme an Streamer verkauft haben. 

Patrick Corcoran: Sie brauchten Geld, deswegen haben sie ein paar Titel verkauft. Aber das war zu Zeiten der Pandemie. Und dann wäre da noch Disney: Kann man sich wirklich vorstellen, dass sie diese großen Blockbuster zeitgleich ins Wohnzimmer oder sogar überhaupt nicht in die Kinos schicken könnten?

Jackie Brenneman: Naja, sie haben es getan.

Patrick Corcoran: Und ich glaube, dass sie gelernt haben, dass sie einen großen Fehler gemacht haben, als sie Pixar-Filme direkt in den Stream geschickt haben. Es hat der Marke geschadet, deshalb lässt sich auch ein Umdenken beobachten, deshalb trommelt Disney schon jetzt so sehr für seine Staffel für 2026. Es baut sich dort schon jetzt etwas mit großen Filmen auf, aber 2026 wird für sie enorm. Wie schon gesagt: Wenn wir über einen Silberstreifen sprechen, dann über die wertvollen Lehren, die man gezogen hat. Man muss auch im Hinterkopf behalten: Kein Studio ist ein Monolith. Wenn man darüber spricht, dass beispielsweise Warner dieses oder jenes getan hat, darf man nicht vergessen, dass die Kinoleute dort wirklich zutiefst an die große Leinwand glauben. Aber sie sind dort nur ein Teil des Ganzen, deswegen geht manches immer wieder hin und her. Aber ich denke, wir haben überzeugende Belege dafür, dass beim Aufbau der Streamingdienste Geld auf dem Tisch liegen gelassen wurde.

Können Sie abschließend noch mehr zu Ihren Plänen verraten?

John Fithian: Ich kann sagen, dass wir unter anderem auch mit einem Unternehmen zusammenarbeiten, das für innovative Kinotechnologie steht. Oder auch mit einem Unternehmen, das unterschiedliche Wege dabei beschreitet, den Kinoraum für Entertainmentangebote jenseits der Filme zu nutzen. Aber was sich an dieser Stelle entwickelt, ist noch in einem so frühen Stadium, dass wir noch nicht wirklich darüber sprechen können.

Jackie Brenneman: Wie schon gesagt: Was zählt, ist Wachstum. Wir glauben daran – und wir werden auch nur mit Kunden zusammenarbeiten, die diese Industrie ebenfalls als Wachstumsmarkt betrachten.

Das Gespräch führten Marc Mensch und Thomas Schultze.