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REVIEW KINO: „Dune Part Two“

Überwältigender zweiter Teil der Verfilmung von Frank Herberts Science-Fiction-Roman, in dem Paul Atreides das Leben in der Wüste kennenlernt und mit der Last seiner gewaltigen Aufgabe zu hadern beginnt.

CREDITS:
O-Titel: Dune Part Two; Land/Jahr: USA 2024; Laufzeit: 168 Minuten; Regie: Denis Villeneuve; Drehbuch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts, Craig Mazin; Besetzung: Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Javier Bardem, Austin Butler, Florence Pugh, Stellan Skarsgård, Dave Bautista, Josh Brolin, Christopher Walken, Charlotte Rampling, Léa Seydoux

REVIEW:
Dies sei erst der Anfang, sind die letzten Worte, die es in „Dune Part One“ zu hören gibt, gesprochen von der ätherisch schönen Fremen Chani, die man im Verlauf der Handlung zunächst nur schemenhaft in Visionen von Paul Atreides zu sehen bekommen hatte und dann erst in den letzten zehn Minuten des Films ins Zentrum der Handlung gerückt war – und nun eine gleichberechtigte Hauptrolle einnimmt. Damals, bei der Weltpremiere auf den Filmfestspielen von Venedig, war der Satz noch Ausdruck einer Hoffnung. Es war eben keine ausgemachte Sache, dass es einen zweiten Teil tatsächlich geben würde. Die abschließenden ersten Bilder von einem Ritt auf einem Sandwurm, gefilmt aus gehöriger Entfernung, waren ein Amuse geule, ohne zu wissen, ob es überhaupt zum Hauptgang kommen würde. Schaut her, was wir Euch bieten könnten, wenn man uns nur lässt!

In der Wüste muss die Freiheit grenzenlos sein: Zendaya und Timothée Chalamet in „Dune Part Two“ (Foto: Warner Bros.)
In der Wüste muss die Freiheit grenzenlos sein: Zendaya und Timothée Chalamet in „Dune Part Two“ (Foto: Warner Bros.)

Aber man durfte den Satz schon auch als Verpflichtung verstehen, als Versprechen, dass die ersten 150 Minuten tatsächlich nur eine Exposition waren, einfach nur eine Einführung in die Welt, die Frank Herbert 1965 in seinem Roman „Der Wüstenplanet“ erstmals formuliert hatte – eine der essenziellen Science-Fiction-Welten, die schon bald einen legendären Ruf genießen würde, fünf weitere Romane (und einen letzten, auf zwei Bücher aufgesplitteten Teil, geschrieben nach Herberts Tod von seinem Sohn Brian) nach sich zog, unverkennbares Vorbild für George Lucas’ „Krieg der Sterne“ war, eine in der Vorproduktion gescheiterte Verfilmung von Alejandro Jodorowsky und eine umstrittene Adaption von David Lynch erlebte und Iron Maiden zu dem Song „To Tame a Land“ inspirierte. „Against evil / The fire that spreads through the land / He has the power / To make it all end”.

Am Ende von „Part One“ streift die Kamera von Greig Fraser noch einmal über die Dünen und Felsen, die den Planeten Arrakis ausmachen, versucht, soweit wie möglich zu blicken, als wolle sie bereits einen Blick erhaschen von dem, was kommen könnte, was kommen wird. Schließlich musste man darauf doch noch einmal zweieinhalb Jahre warten, unter anderem auch, weil Warner Bros. den primär von Legendary finanzierten Film aufgrund der beiden Hollywoodstreiks noch einmal vom ursprünglichen Starttermin im November rückte und zum ersten großen Kinoevent des Jahres 2024 umfunktionierte. Ein kurzer Prolog eröffnet „Dune Part Two“. Erstmals erhascht man einen Blick auf den Imperator an der Seite seiner von Florence Pugh gespielten Tochter, im ersten Teil eine nur angedeutete bedrohliche Präsenz im Off, nun von Christopher Walken gespielt. Dann setzt die Handlung exakt da an, wo man die Figuren zuletzt gesehen hatte, wird der erzählerische Faden aufgenommen, wie es zu erwarten war, da Denis Villeneuve im ersten Film ziemlich exakt nur die erste Hälfte des originalen Romans verfilmt hatte.

Was natürlich auch bedeutet, dass der erste Film die Ouvertüre war, ein Paradebeispiel für perfektes und ökonomisches Worldbuilding, Vorstellung eines ausgeklügelten Universums und zahlreicher Figuren unterschiedlichster Herkunft, fortwährende Exposition eingebettet in wuchtige und stimmungsvolle Bilderwelten, Überwältigungskino zum Staunen und Mitdenken. Power over spice is power over all: Nun geht es ohne Umschweife mitten rein in die Wüste, in die fremde Welt der Fremen, wo Paul Atreides und seine schwangere Mutter auf sich alleingestellt sind und sich beweisen müssen. Während Paul sein privates Glück mit Chani findet, Momente der Harmonie erlebt, beginnt er auch zu hadern mit den großen Erwartungen und Anforderungen, mit denen er konfrontiert wird. Gleichzeitig macht sich Baron Harkonen mit seinem sadistischen Neffen Feyd-Rautha an der Spitze der Streitkräfte daran, den Wüstenplaneten zu unterjochen und die Fremen auszulöschen.  

Nachdem Pauls erster Ritt auf einem der gewaltigen Sandwürmer schon früh ein erstes spektakuläres visuelles Ausrufezeichen setzt, steigert sich „Part Two“ zu einem berauschenden Kriegsfilm, in dem die Zukunft von Arrakis auf dem Spiel steht. Ein Setpiece ist aufregender als das andere. So süffig er auch sein wird, verliert der Film doch nie den Verstand als komplexe Meditation über Macht und Politik, die Kontrolle über die Massen und den Preis, der für Rache und Ambition zu bezahlen ist. Leitmotivisch geht es immer wieder um Tod und Geburt, Sterben und Wiedergeburt, um Wandel und Metamorphose, um Taktieren und Manipulation, um die schwere Last auf den Schultern von Paul Atreides, der zu Beginn des Films noch von Idealismus und Hoffnung, aber auch der Trauer um den ermordeten Vater geprägt ist, im Verlauf der Handlung aber zusehends härter und pragmatischer wird, Verlust der Unschuld in knapp drei Stunden. Timothée Chalamets Darstellung ist beeindruckend und immer überzeugend. 

In den (vielen) besten Momenten ist „Dune Part Two“ delirierendes Filmemachen ohne Netz und doppelten Boden, buchstäblich eine Spice Odyssey, trippy, losgelöst, schwelgerisch, hypnotisch, aber auch asketisch und streng, Hollywoods Blockbusterkino ebenso nahestehend wie dem hehren Kunstkino eines Andrej Tarkowski. Besonders in Erinnerung bleibt eine lange Sequenz in Schwarzweiß unter der schwarzen Sonne von Giedi Prime, in der Feyd-Rautha, zum Fürchten mit seinem kahlgeschorenen Schädel, ohne Augenbrauen und mit schwarzen Zähnen, seinen ersten grausamen Auftritt in einer Gladiatoren-Arena hat. Ebenso natürlich wie der Showdown, der auf der größten denkbaren Leinwand aufgetragen wird. Denis Villeneuve scheut die großen Fragen nicht, die anstrengenden Themen, aber er hat doch vor allem einen kosmischen Film geschaffen, der auch in seinen erschütternden und gewaltvollen Momenten nach purer Schönheit strebt, nach dem Überirdischen und Göttlichen. In seinen Bildern, in seinen Kompositionen.

Aber eben auch personifiziert durch den Cast, eine Versammlung absurd attraktiver Schauspieler. Das trifft zu auf die beiden Stars, Timothée Chalamet und Zendaya, ebenso wie auf Rebecca Ferguson, Javier Bardem oder Charlotte Rampling, die schon im ersten Film vertreten waren, und die Neuzugänge Austin Butler, Florence Pugh, Christopher Walken, Léa Seydoux und Anya Taylor-Joy, androgyne, ätherische Geschöpfe, die man auf der Leinwand bei ihrer Apotheose bestaunen darf, Kino über eine andere Welt wie aus einer anderen Welt, drei Stunden, die den Zuschauer buchstäblich entführen und verwöhnen mit einer visuellen Pracht und erhabenen Stimmung, die demütig macht. Und hoffen lässt auf einen dritten Teil, den Abschluss der Trilogie, die Verfilmung von „Dune Messiah“, den Heiligen Krieg, auf den nun wiederum der letzte Satz von „Dune Part Two“ einstimmt. 

Thomas Schultze