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REVIEW FESTIVAL: „Hallo Spencer – Der Film”

Auf dem Filmfest München hat am Dienstag ein ganz besonderer TV-Film Premiere gefeiert: Das ZDF und Jan Böhmermann lassen mit kreativen Partnern die legendären „Hallo Spencer“-Puppen ein Comeback geben.

V.l.: Spencer, Rainer Bock und Jan Böhmermann
V.l.: Spencer, Rainer Bock und Jan Böhmermann (Credit: ZDF/Gordon Timpen)

CREDITS:

Produktion: Unterhaltungsfernsehen Ehrenfeld (UE GmbH) in Kooperation mit Studio Zentral im Auftrag des ZDF; Produzent:innen: Jan Böhmermann, Alexander Hesse, Lasse Scharpen, Julia Brand & Julia Michel (Producers); Regie: Timo Schierhorn; Drehbuch: Jan Böhmermann, Elias Hauck, Tim Wolff; Redaktion: Lucia Haslauer (Das kleine Fernsehspiel); Cast: Rainer Bock, Victoria Trauttmansdorff, Margarita Broich, Achim Hall, Jens Harzer, Puppenspieler: Eike Schmidt, Friedrich Wollweber, Martin Leßmann, Andreas Förster, Susi Claus, Maik Evers, Andrea Bongers, Klaus Naeve, Benno Lehmann, Winfried Debertin; Weltpremiere: 2.7.24; TV-Start: Demnächst im ZDF

REVIEW:

Als eine Art Märchenfilm bezeichnete der „ZDF Magazin Royale“-Moderator Jan Böhmermann den von ihm mitgeschriebenen und produzierten Spielfilm „Hallo Spencer – Der Film“ selbst auf der Bühne des Filmfests München am Dienstag. Bei der Weltpremiere in der Astor Film Lounge erzählte er auch von der großen gemeinsamen Rettungsaktion der legendären Puppen aus dem NDR-Fundus, die von 1979 bis 2001 die Hauptfiguren der gleichnamigen Puppenserie im Kinderfernsehen waren.

Mit den beiden Ideen-Schlüsseln des nostalgischen Märchens und der angedachten Rettung versteht man auf jeden Fall besser, was „Hallo Spencer – Der Film“ werden sollte. Tatsächlich ist es in der Handlung ein Film-im-Film geworden. Der Schauspieler Rainer Bock spielt in „Hallo Spencer – Der Film“ den Puppenspieler Jakob Sesam, der an den „Spencer“-Erfinder Winfried Debertin angelehnt ist. Der gealterte Kreative vegetiert mehr oder weniger vor sich hin, seitdem die „Hallo Spencer“-Serie abgesetzt wurde.

Nur droht die nächste Stufe der Demütigung. Der Puppen-Fundus soll abgerissen werden. Es sei denn, Jakob Sesam treibt in kürzester Zeit zehn Millionen Euro auf. Sein Lösungsansatz: Einen teuren Film drehen, um die zehn Millionen locker einzuspielen. Nur muss er erst einmal so kurzfristig Finanziers finden. Und dann gibt es in Berlin auch noch ein reiches Ehepaar, das eigentlich die „Hallo Spencer“-Rechte besitzt.

Nostalgie und doppelte Böden

Die Liebe zu der nostalgisch verklärten Kinderpuppenserie, deren Schlieren ziehende Original-Bilder mehrfach gewinnbringend im Film eingesetzt werden, ist „Hallo Spencer – Der Film“ nicht abzusprechen. Und auch nicht, dass sich Jan Böhmermann, Regisseur Timo Schierhorn oder der ehemalige Titanic-Chefredakteur Tim Wolff, der hier als Co-Autor fungiert, mehrere doppelte Böden ausgedacht haben. Das begann schon bei der Weltpremiere damit, dass Böhmermann auf der Bühne eine scheinbar rührselige Einleitung sprach, die am Schluss des Films wortgenau wieder vorkam.

Als unterhaltsames Filmwerk, das nicht nur von der Nostalgie zehren kann und auch auf eigenen erzählerischen Beinen stehen muss, kann „Hallo Spencer – Der Film“ nur wenig punkten. Das fängt schon damit an, dass das Werk ziemlich lange braucht, um narrativ überhaupt in die Gänge zu kommen und dann um einen melancholischen Protagonisten kreist, der sich nur sehr behäbig aufrafft. Wenn denn dann mal irgendwann tatsächlich mit dem Filmprojekt im Film bei den großen Streamern wie Prime Video, Disney+ und Netflix hausieren gegangen wird, entwickelt das Ganze zumindest eine in Ansätzen funktionierende Komödien-Struktur, die auf Meta-Humor über verballhornte Namen und Eigenheiten und auch den üblichen Kübel Häme für die andere konkurrierende öffentlich-rechtliche Sendeanstalt setzt.

Puppen nicht organisch in die Handlung eingebunden

Was auch nicht so recht gelingt, ist die kultigen Puppen von damals wie Spencer, Elvis, die Zwillinge, Nepomuk, Jungdrache Poldi oder die Quietschbeus, die übrigens teils wie neu aussehen und natürlich nicht mehr alle ihre Originalpuppenspieler und Sprecher haben, als echte Figuren organisch in die Handlung einzubinden. Mal scheinen sie nur Einbildungen des Protagonisten Jakob Sesam zu sein, mal agieren sie unabhängig von den echten Menschen in den alten ehrwürdigen Studiokulissen der Sendung. Meistens sagen sie nur ihre Catchphrase von damals auf. Ein Schuss mehr anarchischer „Meet the Feebles“-Wahnsinn hätte den Puppen sicherlich nicht geschadet. Zumal die Musical-Nummer mit den Quietschbeus und Tocotronic-Frontmann Dirk von Lowtzow zum Beispiel schon in die richtige Richtung geht, auch wenn der eigentliche Song dann nicht sonderlich eingängig ist.

„Hallo Spencer – Der Film“ lebt vom Nostalgie-Schleier und den guten Absichten der Macher. Er wäre gerne ein Startschuss für ganz neue Ideen mit den legendären Puppenfiguren. Nur geben die inhaltlich bereits in diesem Film ehrlich gesagt gar nicht so viel her.

Michael Müller