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Medienanstalt Hessen plädiert für Ausweitung des „Elternprivilegs“

Anlässlich der traditionellen Gespräche zwischen der FSK und der Medienanstalt Hessen sprach sich deren Direktor Murad Erdemir klar dafür aus, die Regelung für elternbegleitetes Kino auszuweiten. FSK-Geschäftsführer Stefan Linz wiederum warf ein neuerliches Schlaglicht auf die Inkongruenzen beim Jugendmedienschutz.

Austausch zum Jugendmedienschutz: Murad Erdemir (2.v.l.) mit Christina Mack, Stefan Linz, Kerstin Waldeck und Peter Kaun von der FSK (Credit: FSK)

„Hast Du Deinen Ausweis dabei?“ Eine Frage, die ich gestern beim Warten auf den Einlass zu „Deadpool & Wolverine“ tatsächlich mehrfach vernehmen konnte. Offenbar jedes Mal positiv beschieden, kein Problem also an dieser Stelle. Aber Debatten um Altersfreigaben und den Zugang zu Filmen gehören für Kinomitarbeitende leider zum Alltagsgeschäft – umso mehr, als es mit dem Verständnis für konsequent umgesetzte Jugendschutzregeln oft nicht allzu weit her ist. Tatsächlich stieß die zwangsweise Abweisung von unter Sechsjährigen für „Ich – Einfach unverbesserlich 4“ auf derart gehäuftes Unverständnis der Eltern, dass SPIO, FSK und HDF mit einer gemeinsamen Pressemitteilung reagierten, verbunden mit dem Aufruf, dieses Problem an zuständiger (politischer) Stelle kundzutun.

Neu ist die Debatte um das Spannungsfeld zwischen gesetzlichem Jugendschutz und erzieherischer Verantwortung natürlich nicht – und auch wenn die 2003 eingeführte PG-Regelung für die FSK 12 (gemeint ist hiermit der Begriff der „Parental Guidance“ aus dem angloamerikanischen Raum) zweifelsohne ein Fortschritt war, blieb das Unverständnis darüber, weshalb diese Ausnahme auf die FSK 12 beschränkt ist. 

Fun Fact an dieser Stelle: „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ und „Gremlins“ gelten mitunter als die „Väter“ der PG-13-Ergänzung. Tatsächlich löste deren PG-Einstufung eine Debatte aus, in deren Rahmen die Idee zur PG-13 (auch von Steven Spielberg) entwickelt wurde. „Die rote Flut“ war dann 1984 der erste Film, der in den USA die PG-13 trug, in Deutschland ist es noch heute eine FSK 18, nachdem der Titel zunächst einmal bis 2010 auf dem Index stand…

Aber zurück zu Deutschland: Neuen Schwung hat die Debatte um eine Ausweitung des Elternprivilegs nicht zuletzt dadurch erhalten, dass die strikte Praxis vor dem Kinosaal zunehmend im Kontrast zur sonstigen Mediennutzung steht. Und das nicht etwa nur, weil Eltern im heimischen Umfeld mitunter auf ganz eigene Weise mit Alterseinstufungen umgehen (ich zähle mich dazu, btw). Sondern weil Alterseinstufungen mittlerweile häufig voneinander abweichen, je nachdem, wer sie innerhalb seines gesetzlich zugestandenen Kompetenzbereichs vornimmt. Eine von der FSK vorgenommene stichprobenweise Analyse der beliebtesten Titel aus den Jahren 2023 und 2024 auf Streamingplattformen habe ergeben, dass rund jeder fünfte Film mit FSK-Freigabe online mit abweichender Freigabe (das kann indes auch eine höhere sein) veröffentlicht wurde, bei Serienepisoden liege die Abweichung sogar noch höher.

Nicht umsonst rückte Geschäftsführer Stefan Linz die Probelmatik regulatorischer Überschneidungen und Inkongruenzen beim jüngsten der traditionellen Gespräche zwischen der FSK und der Medienanstalt Hessen einmal mehr in den Fokus: „Wenn gleiche Inhalte derart unterschiedlich gekennzeichnet und verbreitet werden, untergräbt dies Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des Jugendmedienschutzes dort, wo er die höchste Relevanz hat: bei Eltern, Kindern und Jugendlichen. Wir appellieren an die Gesetzgeber, sich für eine anschlussfähige Regulierung einzusetzen“, so Linz im Anschluss.

Klare Unterstützung für die Ausweitung des sogenannten „Elternprivilegs“ (das faktisch für personensorgeberechtigte oder erziehungsbeauftragte Personen gilt) kam bei diesem Termin von Murad Erdemir, dem Direktor der Medienanstalt Hessen: „Kinder- und Jugendmedienschutz im Zeitalter digitaler und weltweit verfügbarer Medieninhalte ist Risikomanagement. Sicherheit gibt es weiterhin an der Kinokasse. Hier ist der Gesetzgeber gut beraten, die bestehende Regelung für elternbegleitetes Kino auf die Alterskennzeichen FSK 6 und FSK 16 auszuweiten. Denn das grundgesetzlich verbürgte elterliche Erziehungsrecht zeigt staatlich verordnetem Jugendschutz seine Grenzen auf. Dieser darf sich nicht als Bevormundungsinstrument für Eltern und ihre Erziehungskonzepte erweisen. Und auch aus dem Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen gilt: Kulturelle Teilhabe und Identitätsbildung finden nicht im medienfreien Raum statt. Und eine gelungene Sozialisation erfordert eben auch die Auseinandersetzung mit Filmen, die Kinder und vor allem Jugendliche intellektuell herausfordern. Und an denen sie mit ihrer Haltung wachsen können.“