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Große Ambitionen

2023 belebten Simon Pirron und Michi Inzinger das Münchner Kino am Königsplatz nach sechs Jahre währender Pause als neue Organisatoren wieder und sehen sich für 2025 auf einem guten Weg, ihre Vision eines Festivals mit Konzerten und Filmvorführungen umzusetzen. Für die anstehende Ausgabe sucht man indes noch Unterstützer – denn die EM zog wichtige Sponsoren ab.

Simon Pirron und Michi Inzinger planen für 2025 mit einem Gesamtkonzept, das auch einen Konzertrahmen umfassen soll (Credit: TwoOneFour)

„Die Menschen brennen für das Kino – und für diesen besonderen Ort!“ Im Prinzip wäre damit schon die Motivation umrissen, mit der Simon Pirron und Michi Inzinger 2023 an die Wiederbelebung der einstigen Münchner Open-Air-Institution Kino am Königsplatz gegangen sind. Natürlich steckt noch mehr dahinter – insbesondere eine klare Vision, wie der Juli-Termin, den man sich zunächst für drei Jahre gesichert hatte, perspektivisch zu einem großen, jährlich wiederkehrenden Event ausgebaut werden kann. Dazu später mehr, zunächst einmal der Blick zurück.

Open-Air-Erfahrung bringen beide aus einer Zeit mit, in der Vorstellungen unter freiem Himmel leider zeitweise zur einzigen Option für gemeinschaftlichen Kinogenuss wurden: der Pandemie. 2020 organisierte Pirron erstmals ein Pop-Up-Autokino auf dem Parkplatz der Zenithhalle, das in diesem Jahr auch zu einer der Spielstätten für das Filmfest München Pop-Up wurde und bis 2023 als „Festival der Festivals“ gemeinsam mit den Münchner Filmfestivals und der HFF München in deren Innenhof fortgesetzt wurde. Eine fünfte Ausgabe ist für 2025 geplant. Zu den Referenzen des zwischenzeitlich gemeinsam gegründeten Unternehmens Kinoliebe (Inzinger schloss sich Pirron 2021 als Partner an) zählen diverse weitere Open-Air-Events, unter anderem für BMW, M-Net, Radio Gong 96.3., Patagonia und The North Face. Dabei ergänzen sich nicht zuletzt die beruflichen Hintergründe: Pirron bringt als HFF-Absolvent und einstiger Producer bei Geißendörfer einen Kinohintergrund mit, Inzinger kommt aus dem Eventbereich, betreibt zudem eine Sportmodelagentur und Produktionsfirma. Laut Pirron eine ideale Kombination: „Spezialagenturen, die das Kino- und das Eventgeschäft gleichermaßen kennen, gibt es nicht allzu viele – das macht uns zum perfekten Partner, wenn es darum geht, außergewöhnliche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen.“ Und während man (auch) als Technikdienstleister für alle Fragen rund um Open-Air agiere, sehe man sich nie auf dieser Rolle beschränkt. „Denn was wir letztlich immer machen: Wir verkaufen Emotionen. Wir nehmen unsere Kunden gerne an der Hand und sorgen dafür, dass sie ein rundum gelungenes Event auf die Beine stellen.“

Kinofeeling im Herzen Münchens (Credit: TwoOneFour)

Dennoch: Vom Zenith-Parkplatz auf den Königsplatz – und das binnen drei Jahren? Nun, zum einen galt es eine Lücke zu füllen: 2016 war die Fläche zwischen Glyptothek und Staatlicher Antikensammlung zum vorerst letzten Mal als Open-Air-Kino genutzt worden, ein Jahr später musste das kleine, aber feine Viehof-Kino seinen Platz für den neuen Standort des Münchner Volkstheaters räumen. Damit blieben zwar die großen etablierten Events Kino, Mond & Sterne im Westpark und das Kino am Olympiasee – aber in der Münchner Altstadt tat sich jene Lücke auf, die nicht nur Pirron und Inzinger wieder geschlossen sehen wollten. Sondern auch ein viel zu früh verstorbener Mann, der dem Kino wieder und wieder seinen Stempel aufgedrückt hat, der quasi mit als Geburtshelfer für den Neustart am Königsplatz fungierte, der schon das PopUp Sommerkino nach Kräften unterstützt hatte – bis hin zur persönlichen Anlieferung eines Projektors aus der Kinopolis-Zentrale in Darmstadt: Kurt Schalk, mit dem man von Nordpolaris-Mitgründer Fabian Halbig bekannt gemacht wurde.

Nicht zuletzt Schalks Begeisterung sei es gewesen, die den Entschluss zementiert habe, sich für einen Open-Air-Betrieb auf dem Königsplatz zu bewerben. Und auch wenn Kurt Schalk es nicht mehr miterleben durfte, wie diese Idee tatsächlich zur Reife getragen wurde, blieb Kinopolis – vor allem in Person von Katharina Phebey – ein wichtiger Partner, insbesondere was das Booking und generell die Verleihkontakte anbelangte. Ein Opener in Kooperation mit dem Filmfest München und der Constantin in Form einer „Rehragout-Rendezvous“-Premiere, eine Premiere von „Enkel für Fortgeschrittene“, Starbesuche zu einer Sondervorführung von „Sonne und Beton“ oder sogar ein (leider verregnetes) Projekt, bei dem das Publikum „Manta Manta“ mit Kopfhörern und virtueller Atmos-Tonspur verfolgen konnte, waren nur einige der Highlights (neben dem Eventrahmen, den u.a. diverse Foodtrucks lieferten), mit denen man schon 2023 punkten konnte. Obwohl – und da sind Pirron und Inzinger offen – es alles andere als einfach war, als relative „Newcomer“ für ein Event dieser Größenordnung ausreichend Sponsoren zu finden.

Das (letztjährige) Team des Kinos am Königsplatz (Credit: TwoOneFour)

Was uns ins aktuelle Jahr führt – und leider zu einem Problem. Denn im Umfeld der Fußball-EM Sponsorengelder einzuwerben, erwies sich trotz gelungener Vorjahresveranstaltung als noch herausfordernder als gedacht. So manches Budget wurde König Fußball gewidmet, so mancher erhoffte Unterstützer setzte aus, insbesondere konnte kein Hauptsponsor gefunden werden. Die Folge ist nach Angaben der Organisatoren eine „beträchtliche Finanzierungslücke“, die man mit einer Crowdfundingkampagne auf StartNext schließen will. Ziel sind bis zu 80.000 Euro, knapp zwei Wochen nach dem Start war man von dieser Marke leider noch ein gutes Stück entfernt. 

Zur Crowdfunding-Seite bei Startnext

Keine angenehme Situation – und auch keine, die im EM-Jahr vollkommen überraschend kam. Tatsächlich hatte man sich erst relativ kurzfristig entschlossen, die diesjährige Ausgabe trotz aller Herausforderungen durchzuziehen. Denn entscheidend für den künftigen Erfolg sei nicht zuletzt Kontinuität und das damit zunehmende Vertrauen bei potenziellen Partnern. Vor allem aber verfolgt man einen langfristigen Plan: Für 2025 konnte man bereits einen vorbereitenden Coup landen. Von drei Konzert-Wochenenden, die für den Königsplatz im kommenden Jahr vorgesehen sind, konnte man sich zwei Tage sichern und feilt damit schon jetzt konkret an einem Event-Gesamtkonzept, das acht Tage an Kinovorführungen in zwei große Konzerte zum Auftakt und Abschluss einbetten würde. Ein Vorhaben, das natürlich entsprechende Infrastruktur benötigt – wofür ein Grundstein in diesem Jahr gelegt wird. So schließt das Kino am Königsplatz mit seinem Start am 23. Juli an das (längst ausgebuchte) „Oben Ohne“-Festival des Kreisjugendrings München-Stadt bzw. München-Land vom 20. Juli an – und in Form eines „Testballons“ wird man erstmals Teile der Infrastruktur übernehmen können. „Wir arbeiten schon heute eng mit der Projektleitung des Festivals zusammen und sehen eine klare Perspektive für einen Ausbau dieser Kooperation, die es uns 2025 erlauben würde, erstmals ein Gesamtkonzept auf die Beine zu stellen, das uns gerade bei der Vermarktung ganz neue Türen öffnen würde“, so Inzinger. Eine Erwartung, die offenbar nicht von ungefähr kommt; so hätte schon die Aussicht auf ein mögliches Vorzugsrecht im kommenden Jahr den einen oder anderen Sponsoren zu einem Engagement in 2024 motiviert. Dass ein Konzertrahmen das Event wirtschaftlich auf stärkere Beine stellen dürfte, liegt auf der Hand: Acht Tage Open-Air-Kino seien schon aufgrund der Unwägbarkeiten beim Wetter stets mit einem Risiko behaftet – während Konzertbesucher sehr viel eher gewillt seien, auch bei Regen zu erscheinen. „Letztlich geht es bei einem solchen Gesamtkonzept auch um eine gewisse Querfinanzierung, wobei sich die Programmpunkte vor allem auch im Sinne des Eventcharakters gegenseitig beflügeln würden“, zeigt sich Pirron zuversichtlich.

Eventrahmen mit Biergarten und Foodtrucks (Credit: TwoOneFour)

Vorbilder für das Festivalkonzept gibt es diverse, darunter nicht zuletzt das seit über 30 Jahren stattfindende Filmfestival auf dem Wiener Rathausplatz oder das größte deutsche Freilichtkino-Festival: die Filmnächte am Elbufer. Mit deren Verantwortlichen stehe man nicht nur in engem Kontakt, sondern überlege, ob eine direkte Kooperation möglich sei.

Womit wir zu einer der guten Nachrichten für 2024 kämen: Denn die Bemühungen, sich in diesem Jahr einen neunten Spieltag zu sichern, um sich dem erstmals vom bundesweiten Open-Air-Verband Kinosommer Deutschland ausgerufenen Aktionstag „Ein Land sieht einen Film“ anschließen zu können, war von Erfolg gekrönt: Am 1. August wird auf dem Königsplatz eine „Pink Party“ rund um Megahit „Barbie“ gefeiert; Unterstützung dafür kommt vom Filmfest München, dessen Verantwortliche Christoph Gröner und Julia Weigl die Veranstaltung moderieren werden. Tatsächlich hat sich Kinoliebe für den Königsplatz eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Filmfest München sichern können. „Wir sind sehr dankbar für das Vertrauen, dass uns Christoph Gröner und Julia Weigl seit vielen Jahren schenken“, sagt Pirron. 

Auch sonst können sich der noch nicht gänzlich finalisierte Spielplan und die angekündigten Gäste schon sehen lassen: So wird man ein Pre-Opening am 23. Juli mit einem Serienmarathon und diversen Folgen aus der zweiten Staffel von „Der Beischläfer“ und der Kultserie „Monaco Franze“ feiern, eingeleitet von einer Eröffnungsparty mit DJ und Freibier für die ersten Gäste. Für ein Screening von „Wochenendrebellen“ haben sich Mirco von Juterczenka und sein Sohn Jason von Juterczenka angekündigt; gemeinsam mit der Ocean Film Tour zeigt man „Maya and the Wave“; zur Vorführung von „Girl you know it’s true“ darf man Regisseur Simon Verhoeven und Hauptdarsteller Tijan Njie erwarten und gemeinsam mit dem Filmfest München wird man noch vor dem offiziellen Kinostart „Rumours“ präsentieren – in Anwesenheit von Hauptdarsteller Charles Dance. Weitere Programmhighlights sind „Chantal im Mächenland“, „Alles steht Kopf 2“ und „Bad Boys: Ride or Die“; im Rahmen des „SAT.1 Family Mini Kinos“ auf LED-Wall winken unter anderem „Kung Fu Panda 4“, „Die wilden Mäuse“ und „Garfield – Eine extra Portion Abenteuer“. 

Familienkino gibt es schon Nachmittags auf dem LED-Screen (Credit: TwoOneFour)

Die Disposition nahm man in diesem Jahr zwar in eigene Hände, Unterstützung kommt von Kinopolis aber erneut, nicht zuletzt in Form (gegenseitigen) Marketings. Schließlich würden beide Seiten das Open-Air nicht als Konkurrenz zum „klassischen“ Kino betrachten, sondern vielmehr als Verstärker, als Angebot, das den Menschen mit gelungenen Events grundsätzlich Lust auf das große Leinwanderlebnis mache.

Die Vorfreude auf die anstehenden Open-Air-Tage ist jedenfalls groß – noch größer wäre sie allerdings, wenn es gelänge, mit finanziellem Rückenwind in die Vorbereitungen für 2025 gehen zu können. „Wir setzen uns seit zwei Jahren mit großer Leidenschaft dafür ein, dass München langfristig wieder ein großes Kinofestival in der Innenstadt bekommt – aber ohne Support wird das natürlich schwierig“, so Pirron. Rechnen muss sich das Engagement bei aller Kinobegeisterung schließlich am Ende auch.

Marc Mensch