Login

Warmlaufen für die Oscars

An diesem Film und an diesem Filmschaffenden führte auch zum krönenden Abschluss der Filmkunstmesse kein Weg vorbei. Mohammad Rasoulof wurde für „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ mit einem Gilde-Filmpreis ausgezeichnet – ex aequo mit einer weiteren Oscar-Einreichung: „Emilia Perez“. Als bester nationaler Film wurde „In Liebe, Eure Hilde“ geehrt.

Die Preisträgerinnen und Preisträger des krönenden Abschlusses der 24. Filmkunstmesse Leipzig (Credit: AG Kino-Gilde/Uwe Frauendorf)

Wenn einer Jury Entscheidungen nicht leichtfallen, kann das zweierlei bedeuten: Entweder die Auswahl ist nicht gut genug. Oder sie ist so stark, dass die Wahl eine besonders harte ist. In diesem Jahr war sicherlich letzteres der Fall – und das nicht zuletzt in der internationalen Kategorie, in der vor allem zwei Filme in jüngster Vergangenheit wahre Glanzlichter setzen. Wofür also würde man sich entscheiden? Den deutschen Oscar-Beitrag von einem Filmschaffenden, dessen Schaffen nicht zuletzt für immensen Mut steht? Einen Film, der in Cannes mit einem Spezialpreis der Jury geehrt wurde? Oder den gefeierten Eröffnungsfilm der Filmkunstmesse Leipzig, der in Cannes gleich zwei Preise – darunter jenen für das Ensemble – abräumte?

Schwere Wahl, konsequente Entscheidung: für beide. In der internationalen Kategorie wurden sowohl „Emilia Perez“ als auch „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ausgezeichnet – im Rahmen des „Familienfestes des Kinos“, wie es Moderator Knut Elstermann schon zu Begrüßung formulierte. „Filme als Gegenmittel zum grassierenden Irrsinn“ waren nach seinen Worten in diesem Jahr in besonderem Maße unter den Preisträgern zu finden – und dafür stand schon der erste prämierte Film des Abends: die Dokumentation „Riefenstahl“. „Aufwändige Recherche, die in bester True-Crime-Manier eine Lebenslüge zum Einstürzen bringt. Die nach Jahrzehnten der Verklärung die Wahrheit ans Licht gebracht hat“, so Laudator Christian Pfeil. Für Produzentin Sandra Maischberger, die den Preis gemeinsam mit Regisseur Andres Veiel persönlich entgegennahm, ein „extremes Herzensprojekt“, ein Film „über unserer Gegenwart, über die Verderbnis der Verführung, der wir erliegen und eine Warnung vor deren Mechanismen“.

„Die Freiheit zu entscheiden, wofür man sich einsetzt“ steht laut Laudatorin Valeska Hanel wiederum im Zentrum des besten Kinderfilms: „Fuchs und Hase retten die Welt“. „Hart“, „authentisch“, „kritisch“: Drei Schlagworte aus der Laudatio von Petra Rockenfeller für den besten Film in der Kategorie „Junges Kino“. Ein Werk, das (leider) exemplarisch dafür steht, wie sehr das Freigabesystem im Kino einer Reform bedarf. Denn die FSK 16 für den Gewinner „Ellbogen“ schließt ausgerechnet dort Zielgruppen aus, für die der Film von Asli Özarslan, die den Preis persönlich entgegennahm, geradezu prädestiniert wäre.

In Liebe – Deine Kinos. So überschrieb Matthias Elwardt seine Laudatio für den Gewinner in der Kategorie nationaler Film – und hätte mit diesem wunderbaren Spruch damit um ein Haar die Headline für diesen Artikel geliefert, wenn an diesem Abend nicht gleich zwei Oscar-Hopefuls im Rampenlicht gestanden hätten. „Große Filme über vermeintlich kleine Leute, mit einem klarem Blick auf die deutsche Geschichte“ jedenfalls seien es, für die Andreas Dresen stehe. So auch bei „In Liebe, Deine Hilde“. Was Elwardt noch besonders hervorhob: Dresen sei ein „wunderbarer Teamplayer“, bei dem seit 20 Jahren Regie und Drehbuch gleichberechtigt auf dem Plakat stünden. Nachahmenswert. Dresen selbst, der den Preis in Begleitung von Hauptdarsteller Johannes Hegemann in Empfang nahm, sprach von einem „ernsten Film in ernsten Zeiten“. In Zeiten, in denen das Kino als Ort nur umso wichtiger sei. Als Ort, an dem man nicht nur Filme sehe, sondern andere Menschen treffe.

Damit zu den bereits eingangs genannten Preisträgern. Von einer „Welle der Begeisterung“ sprachen Torsten Frehse und Marc Gabizon zu einem Film, den Neue Visionen und Wild Bunch erstmals gemeinsam ins Kino bringen werden. Laudator Christopher Bausch hob an dem „wuchtigen Genremix“, dem „cinematographischen Wunder“, nicht zuletzt hervor, dass die Handlung so unwahrscheinlich klinge, dass „keine KI jemals auf sie kommen“ könne. Die Rede ist natürlich vom Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmkunstmesse Leipzig, der französischen Oscar-Einreichung: „Emilia Perez“. Regisseur Jacques Audiard war zwar nicht vor Ort, ließ über Gabizon aber erklären, dass er seinen Film als „Liebesbrief an das Kino und alle, die Kino lieben“, verstehe.

Dann wäre da die deutsche Oscar-Einreichung. Ein Werk, das laut Laudatorin Anne Kellner die „kollektive Sehnsucht nach dem grundlegenden menschlichen Bedürfnis der Freiheit zum Ausdruck bringe“. Ein Film, dessen Dreharbeiten für alle Beteiligten mit großen Risiken verbunden waren – und deren Regisseur und Darstellerinnen nicht zuletzt deswegen in Leipzig seien, weil ihnen in ihrer Heimat die Verfolgung drohe: „Die Saat des heiligen Feigenbaums“. Der Entgegennahme des Preises durch Mohammad Rasoulof und seine Darstellerinnen Mahsa Rostami und Setareh Maleki gingen minutenlange Standing Ovations voraus; der nunmehr im Exil lebende Filmschaffende konnte sich nach eigenen Worten „nicht genug bedanken“. Für die Ehrung an diesem „besonderen Abend“. Und für das Vertrauen, das ihm Deutschland geschenkt habe. Er hoffe, so Rasoulof, dass er es verdient habe.

Und wofür entschied sich am Ende die Öffentlichkeit? Der Publikumspreis ging an „Element of Crime“ von Charly Hübner. Da ist – wie in der gesamten Veranstaltung – Musik drin.

Die Preisträger im Überblick

Bester Film (international)
• „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ von Mohammad Rasoulof im Verleih von Alamode
• „Emilia Perez“ von Jacques Audiard im Verleih von WildBunch/Neue Visionen

Bester Film (national)
• „In Liebe, eure Hilde“ von Andreas Dresen im Verleih von Pandora Filmverleih

Bester Dokumentarfilm
• „Riefenstahl“ von Andres Veiel im Verleih von Majestic Filmverleih

Bester Film (Junges Kino)
• „Ellbogen“ von Asli Özarslan im Verleih von jip-Film und Verleih

Bester Kinderfilm 
• „Fuchs und der Hase retten den Wald“ von Mascha Halberstad im Verleih von Neue Visionen

Publikumspreis, gestiftet von Pharos
• „Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ von Charly Hübner im Verleih von DCM

Publikumspreis Bester Kurzfilm 
• „Yellow“ von Elham Ehsas im Verleih von interfilm Berlin

Die Favoriten der Jugendjury
• „Tandem- In welcher Sprache träumst du“ im Verleih von Port au Prince Pictures
• „Riefenstahl“ im Verleih von Majestic Filmverleih
• „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ im Verleih von Alamode