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Jordan Scott zu „Berlin Nobody“: „Die Zeit ist der Feind“

Am Donnerstag startet „Berlin Nobody“ im Verleih von SquareOne in den deutschen Kinos. Wir nutzten die Gelegenheit, uns mit Regisseurin/Autorin Jordan Scott, die Tochter von Ridley Scott, über ihre Arbeit und die Besonderheit eines Drehs in Berlin zu unterhalten. 

Jordan Scott, Regisseurin von „Berlin Nobody“ (Credit: Todd Williamson)

Ihr Regiedebüt, „Cracks“, stammt aus dem Jahr 2009. Woran lag es, dass Ihre zweite Filmarbeit bis jetzt gedauert hat?

Jordan Scott: Es lag gewiss nicht daran, dass ich untätig gewesen wäre. Es war also keine freiwillige Pause. Als Filmemacherin habe ich die Zeit mit Werbung überbrückt – und fortwährend versucht, einen neuen Film an den Start zu kriegen. Lange Jahre vergeblich, wie man sehen kann. 

Warum hat es dann mit „Berlin Nobody“ geklappt?

Jordan Scott: Der Unterschied war, dass ich nicht gewartet habe, dass etwas passiert. Dieses Projekt habe ich tatsächlich in meine Hände genommen und auch selbst das Drehbuch geschrieben. Es war verblüffend, wie sehr das geholfen hat, ständig Bewegung in die Sache zu bekommen. Bei den Stoffen vor wäre ich nur Regisseurin gewesen. Das macht es offenbar einfacher, einen wieder loszuwerden.

Was hat Ihnen an Nicholas Hoggs Roman „Tokyo“ so sehr gefallen, dass Sie die Extrameile gehen wollten?

Jordan Scott: Mich haben Kulte und Sekten immer schon interessiert. Da geht es mir nicht anders als den meisten Menschen: Was bringt Menschen dazu, Vernunft und jegliches kritisches Hinterfragen abzulegen und blind einer Idee oder anderen Menschen zu folgen? Wenn man einmal damit anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, ist es, als würde man in einem Kaninchenloch verschwinden. Es ist ein unerschöpfliches, endloses Thema. Obendrein ist es absolut zeitgemäß und relevant, wenn man sich die Welt ansieht, in der wir leben: Woran kann man glauben, wem kann man glauben? Woher bezieht man seine Informationen? Hinter welches Glaubenssystem kann man sich guten Gewissens stellen? Und der Roman stellt all die richtigen Fragen, und das auf eine sehr spannende Weise. 

Jordan Scott beim Dreh von „Berlin Nobody“ (Credit: SquareOne)

Sie haben die Handlung allerdings nach Berlin verlegt. Warum?

Jordan Scott: Es fühlte sich richtig an. Berlin ist eine sehr lebendige, kosmopolitische Stadt, viel Aktivismus, politisches Engagement, Protest. Es ist eine Stadt, die Menschen aus der ganzen Welt anzieht. Ich habe für den Film eine Zeit lang in Berlin gelebt, über einem Café, in dem niemand deutsch sprach. Ich fand das zum Schreien. Wenn man als Mensch empfänglich ist für Dinge wie Kults oder Sekten, dann erscheint mir Berlin als ein idealer Ort, an dem man sich verlieren will. Die Sprachbarriere ist ein wichtiges Element, das auch schon im Roman eine wichtige Rolle spielt. Bis man als Ausländer aus dem Westen auch nur die geringsten Grundzüge der japanischen Sprache beherrscht, vergeht eine Weile. Es ist eine komplizierte Sprache. Und im Deutschen ist es nicht wirklich anders. Dass die DDR mehr als 40 Jahre lang eine kollektivistische Gesellschaft war, spielte in meine Überlegungen zusätzlich mit hinein. 

Wie gut kannten Sie Berlin bereits? Wie haben Sie Ihre Drehorte gefunden?

Jordan Scott: Ich war ziemlich gut mit der Stadt vertraut, arbeite dort sehr oft in der Werbung. Wie kann man in Berlin keine tollen Drehorte finden? Die Stadt ist voller großartiger Gebäude und eindringlicher Designs. Es ist wie im Selbstbedienungsladen. 

Sie arbeiten mit einem beeindruckenden internationalen Cast mit Eric Bana und Sadie Sink, aber eben auch mit vielen bekannten deutschsprachigen Darstellern: Jonas Dassler, Stephan Kampwirth, Sophie Rois. Kannten Sie sie schon vor dem Film? Wie sind Sie auf sie aufmerksam geworden?

Jordan Scott: Ich kannte sie nicht! Ich hatte einen Film gesehen, in dem Jonas Dassler mitspielt. Aber das war’s auch schon. Was kann ich sagen? Ich war begeistert von ihnen, von ihrer Brillanz und Ausdrucksstärke. Die Arbeit mit den Schauspielern habe ich als besonders aufregend in Erinnerung. Der ganze Prozess war wunderbar. Wenn es einfach nur ein Theaterstück gewesen wäre, wäre ich schon glücklich gewesen. 

Jordan Scotts „Berlin Nobody“ mit Sophie Rois (Credit: SquareOne)

Teile des Films sind auf Deutsch gedreht worden. Fiel Ihnen das schwer?

Jordan Scott: Ich verstehe die Sprache einigermaßen – ich hatte Deutsch in der Schule. Es hat mir also keine besonders große Angst gemacht. Und ich war neugierig. Und hatte das Privileg, eine Reihe neuer, komplizierter Wörter zu lernen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es einfach war. Vielmehr habe ich es als überraschend normal empfunden. 

Was hat Sie am meisten überrascht?

Jordan Scott: Ich mochte die Normalität. Keiner ließ sich behandeln wie ein Superstar. Meine deutschen Schauspieler kamen teilweise mit dem Fahrrad zum Dreh. Ich kenne es auch anders. Ein Dreh in Deutschland lässt sich nicht mit der Drehkultur in Los Angeles vergleichen. Man merkt, dass viele der deutschen Schauspieler Theatererfahrung mitbringen. Die Arbeit ist mehr auf einer Augenhöhe, lassen Sie es mich demokratisch nennen.  

Vor Jahren habe ich Ihren Vater einmal gefragt, was er als die größte Hürde beim Filmemachen empfindet…

Jordan Scott: Lassen Sie mich raten: Zeit und Geld…

Lustigerweise hat es gesagt: „Das Problem ist niemals Geld, immer nur Zeit…“

Jordan Scott: Ja, klingt wie etwas, was er sagen würde. 

Hat er Ihrer Ansicht nach Recht?

Jordan Scott: Natürlich. Die Zeit ist der Feind. 

Sie bekennen sich in einer Zeit zum Kino, in der es fortwährend in Bedrängnis scheint. 

Jordan Scott: Unbedingt. Wie kann man Filme machen und nicht fürs Kino brennen? Einige meiner bleibenden Erinnerungen aus meiner Teenagerzeit sind Kinobesuche. Natürlich will ich das aufrecht erhalten und nach Möglichkeit weitergeben. Was könnte es Besseres geben, als Filme fürs Kino machen. Ich kann Ihnen versprechen: Ich bleibe dabei!

Das Gespräch führte Thomas Schultze.