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Beatrix Wesle, Leiterin des NaturVision Filmfestival: „Wir sind ein Impact Festival“

Seit diesem Jahr ist Beatrix Wesle Festivalleiterin des NaturVision Filmfestival in Ludwigsburg. Im Interview spricht sie über neue Akzente, die sie setzen konnte, und ihr Anliegen, positive Filme und positive Beispiele zu zeigen. Das NaturVision startet am 18. Juli und läuft bis 21. Juli.

Beatrix Wesle auf dem Marktplatz in Ludwigsburg; sie hat die künstlerische Leitung und
Geschäftsführung des NaturVision Filmfestivals von Ralph Thoms übernommen,
der das Festival 2002 gründete und 22 Jahre lang erfolgreich geleitet hat (Credit: Astrid Meyer)

Sie sind seit vielen Jahren in der Branche, waren bei der Tobis, hatten Ihr eigenes Produktionsunternehmen und arbeiteten zuletzt beim Schweizer Fernsehen. Jetzt übernehmen Sie mit NaturVision die Leitung eines Festivals von dessen Gründer, der es 22 Jahre aufgebaut und geprägt hat. Macht das die Aufgabe schwieriger? 

Beatrix Wesle: Es ist nicht schwieriger, weil ich frei in der Umsetzung bin, das Festivalprogramm und neue Crossover-Angebote frei gestalten kann. Natürlich lief für die 2024er Ausgabe schon vieles, weil ich erst am 1. Januar angefangen habe. Trotzdem konnte ich noch neue Akzente setzen. Das Festival ist viel internationaler geworden. Ich habe sogar für Binge-Watching-Fans zum ersten Mal eine ganze Serie programmiert: Nach einer Idee von Doris Dörrie entstand die Serie „Farm Rebellion“ die ein Jahr die Menschen auf dem Biohof „Gut & Bösel“ begleitet, produziert von der Megaherz in München für Disney+. Mir ist auch wichtig, positive Filme und positive Beispiele zu zeigen, und dass wir ins Handeln kommen und nicht nur diskutieren. Deshalb habe ich eine Vielzahl von Filmen ausgewählt, die zeigen, dass bereits viele Menschen im Machen sind, sich engagieren und handeln. Es gibt so viele Möglichkeiten, was jeder von uns machen kann. Das spiegelt die Filmauswahl wider. Besonders angesprochen hat mich das Kreativnetzwerk Ludwigsburg mit dem Angebot „Start-up-Mondays“, das im April zum ersten Mal stattfand und in dessen Rahmen ich großartiges nachhaltiges Unternehmertum kennenlernen durfte. Aus diesen Kontakten ist in der Zwischenzeit ein Crossover-Angebot mit dem Startup Management der Stadt Ludwigsburg entstanden. Am Festivalsamstag (20.07.2024) veranstalten wir auf dem Open Air zwei Podiumsgespräche unter dem Titel „Anders wirtschaften: Startups im Gespräch“, in denen Menschen über nachhaltiges Unternehmertum berichten. 

Die Disney+-Serie „Farm Rebellion” wird in voller Länge gezeigt (Credit: Disney)

NaturVision ist viel mehr als ein Filmfestival. Wie würden Sie die DNA beschreiben? 

Beatrix Wesle: Wir sind ein Impact-Festival. Wir haben den Wunsch, einen Impact bei den Menschen zu hinterlassen, sie ins Handeln zu bringen. Das Publikum lernt durch unsere Filme dazu und trifft womöglich eine Entscheidung, im eigenen Verhalten etwas zu ändern. Ein gutes Beispiel ist unser Kinobetreiber Claus Wollenschläger, in dessen Büro wir als Festival sitzen dürfen. Er hat nach „Die Plastik-Invasion – Coca-Cola und der vermüllte Planet“ bei NaturVision entschieden, dass es in seinem Sortiment keine Plastikflaschen mehr gibt. Das sind schöne Geschichten, die uns auch bewegen. Neben unserem Filmfestival ist unser Umweltbildungsbereich   mit Onlineangeboten oder unserem Schul-Filmfestival, bei dem wir ein speziell für Schulen zusammengestelltes Programm anbieten und die Lehrer:innen und die Schüler:innen mit Fachexpert:innen zusammenbringen. Unser Umweltbildungsprogramm ist kostenfrei, wie auch unser Open-Air auf dem Akademiehof für die Besucher auch kostenlos ist. Und auf unserem Markt der Perspektiven sind dieses Jahr viele junge engagierte Aussteller, die sich für Klima- und Umweltschutz stark machen. Von AGA-Artenschutz bis zu Klimaaktivisten von Fridays for Future sind fast 20 Akteure von Freitag bis Sonntag bei uns vertreten.  Unser Filmfestival bietet neben „Inside Greenpeace“ der Constantin Entertainment im Filmwettbewerb u.a. die Filme „Bis hierhin und wie weiter“ von Felix Maria Bühler, „Was brennt“ von Jana Bauch oder „System Change – A Story of Growing Resistance“ von Dr. Klaus Sparwasser, die in besonderer Weise, einen Einblick geben, was die junge Generation in unserem Land bewegt.

Der tolle „besondere Kinderfilm” „Sieger sein“ von Soleen Yusef läuft auch bei NaturVision 2024 (Foto: Stephan Burchardt / DCM)

Und das Filmprogramm ist sicher ebenso vielfältig?

Beatrix Wesle: Wir zeigen nicht nur Dokumentarfilme in allen Formaten, sondern auch Animationsfilme und in diesem Jahr mit „Sieger sein“ auch einen Kinospielfilm. Es gibt jegliche Spiellängen. Es ist alles für die Festivalbesucher dabei: Von dem Kurzfilm „Locker“ (Indien) mit 3 Minuten über unsere Serie „Farm Rebellion“ (Deutschland) mit 6 x 50 Minuten. Ich empfinde die Festivalarbeit bei NaturVision uneingeschränkt frei, da wir als Impact Festival nicht auf Premieren angewiesen sind. Wir setzten auf eine Themenprogrammierung und bieten einen breites Themenangebot an. Das ist das Besondere an NaturVision Filmfestival. Dennoch freuen wir uns in diesem Jahr auf die internationale Premiere von „Wild Beauty: Mustang Spirit of the West“ der Amerikanerin Ashley Avis und die Weltpremiere im Kurfilmwettbewerb von „Qotzuni: Hombres del Lago“ (Argentinien).

NaturVision fing im Bayerischen Wald an und ist 2012 nach Ludwigsburg umgezogen. Warum ist Ludwigsburg ein guter Standort? 

Beatrix Wesle: Die Stadt Ludwigsburg hat seit vielen Jahre eine klare Umwelt- und Nachhaltigkeitsagenda. Die Stadt Ludwigsburg und diverse Akteure aus der lokalen Kreativwirtschaft haben sich damals für den Umzug des Festivals stark gemacht. Dieses Engagement hat nie nachgelassen. Als klar war, dass Ralph Thoms, der Festival-Gründer, eine Nachfolge braucht, ist die Stadt mit der Gründung einer gemeinnützigen GmbH eingesprungen. Das ist großartig! 

Da haben es andere Filmfestivals in Deutschland nicht so gut wie NaturVision…

Beatrix Wesle: Und das, obwohl uns als Themen-Impact-Festival die Fördertöpfe aus dem Kulturbereich nicht zur Verfügung stehen. Als Filmfestival mit Schwerpunkt Umwelt- und Nachhaltigkeit erhalten wir Unterstützung aus dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart sowie lokalen Stiftungen. Unser Impact Festival passt in die Region, die mit ihren Initiativen beispielsweise New Stuttgart die Innovationen und nachhaltiges Unternehmertum in ganz besonderer Weise fördern. Schon eine Vielzahl von Arbeitsplätzen im Bereich „Green Tec“ und nachhaltiges Unternehmertum sind vor Ort entstanden. Die Stadt Ludwigsburg selbst ist ein kreativer Hub mit der renommierten Filmakademie Baden-Württemberg, der Akademie der darstellenden Künste und einer Vielzahl von Produktionsfirmen in den diversen Coworking Spaces für die Filmschaffenden. Unser Filmfestival ist vor Ort gut verankert.

„Was brennt” von Jana Bauch läuft im Filmwettbewerb (Credit: NaturVision)

Gibt es genügend Nachwuchs im Bereich Umwelt- und Natur/Wild Life-Film?

Beatrix Wesle: Ich sehe die Verantwortung der Filmfestivals als Karriere-Booster für junge Filmschaffende, eine Start-Plattform. Daher ist es mir sehr wichtig, auf junge Filmschaffende zu achten. In diesem Jahr zeige ich erstmals „A view on young filmmakers: New WildNature mit Kurzfilmbeiträgen von Studierenden der National Film & Television School (NFTS) in Beaconsfield außerhalb von London, die ein prestigeträchtiges Masterprogramm für Natural Sciences anbietet. Dort wird die Wildlife-Elite von morgen ausgebildet. Neben diesen Kurzfilmen gibt es auch weitere Filme von deutschen Hochschulen, zum Beispiel „Was brennt“ von Fotografin Jana Bauch (Hochschule Düsseldorf) und „Bis hierhin und wie weiter“ von Felix Maria Bühler, der an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf entstand. Und natürlich haben wir eine große Kurzfilmreihe, in denen es naturgemäß junge Stimmen gibt. 

Am 18. Juli geht’s los. Auf was freuen Sie sich am meisten?

Beatrix Wesle: Ich freue mich am meisten auf die Eröffnung, weil wir in deren Rahmen unser Kurzfilm-Wettbewerbsprogramm zeigen. Das ist dieses Jahr international wie nie, von Argentinien über Kolumbien und England hin zu Deutschland und der Schweiz. Es sind thematisch und von der Machart ganz unterschiedliche Filme. Und sehr gespannt bin ich auf die Gespräche im Anschluss. Ich hoffe, diese Vielfalt der Filme machen Lust, weitere Filme unseres Festivals entdecken zu wollen. Außerdem freue ich mich auch auf unseren Themen Schwerpunkttag „Wasser & Lebensräume“ am Festivalsamstag auf dem Open Air am Akademiehof Der ist nicht zu verpassen.

Das Gespräch führte Barbara Schuster

NaturVision Filmfestival

Das NaturVision Filmfestival ist seit über 20 Jahren eines der führenden Natur- und
Umweltfilmfestivals im deutschsprachigen Raum und zählt nach eigenen Angaben mit rund 24.000
Zuschauern zu den größten Festivals seiner Art.
Seit 2012 findet es in Ludwigsburg statt. 2024 wählte die Auswahljury von fast 250 Einreichungen mehr als 100 Filme aus und nominierte 72 in die Wettbewerbssektionen. Traditionelles Herzstück des Festivals ist das große Open Air bei freiem Eintritt. Zur Homepage geht’s hier.