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REVIEW KINO: „City of Darkness“

Furioser Actionfilm mit klassischer Honkgongnote über eine Gruppe von vier Jungs, die sich in der Walled City zusammenraufen müssen, um zwei verfeindeten Gangsterbanden Einhalt zu gebieten. 

CREDITS:
O-Titel: Twilight of the Warriors: Walled In; Land / Jahr: China 2024; Laufzeit: 126 Minuten; Regie: Soi Cheang; Drehbuch: Kin-Yee Au, Tai-Lee Chan, Li Jun; Besetzung: mit Louis Koo, Sammo Kam-Bo Hung, Philip Ng u.v.a.; Verleih: Plaion Pictures; Start: 28. November

REVIEW: 
Lemmy Klimister sagte 1980 einmal über Konzerte von Motörhead, dass das Publikum danach fix und fertig sein soll, ausgepumpt, befreit, erledigt, aber glücklich. So geht es einem bei „City of Darkness“, den man in Europa erstmals als Midnight Screening in Cannes erleben durfte und in Deutschland als Centerpiece auf dem diesjährigen Fantasy Film Festival zeigte. Wenn Soi Cheang („Limbo“) erst einmal fertig ist mit einem, wenn er einen gerüttelt und geschüttelt, gebeutelt und herumgeschleudert hat, mehr als zwei Stunden lang, unablässig und gnadenlos, mit einem Schnittgewitter und Actiongestöber, das seinesgleichen sucht, japst man nach Atem, hängt man in den Seilen, kann man nicht mehr. Man fühlt sich, als hätte man alle Hongkong-Actionfilme der Achtzigerjahre auf ein atemloses Best-of verdichtet erlebt, mit allen Sinnen und jeder Faser seines Körpers: Alles von John Woo, Tsui Hark, Johnnie To und Ringo Lam auf einmal.

Erfolgreichster heimischer Film aller Zeiten am Hongkong-Boxoffice: „City of Darkness“ (Credit: Entertaining Power Co. Limited)

Das ergibt natürlich Sinn, weil auch die Geschichte, sofern man dieses Sperrfeuer an pausenlos wirbelnden Leibern so nennen kann, in dieser Ära angesiedelt ist, in den Achtzigern, als die Walled City auf der Halbinsel Kowloon, das damals mit 33.000 Menschen auf einer Fläche von knapp 2,7 Hektar dichtest besiedelte Stadtviertel der Welt, pausenlos für Schlagzeilen sorgte, ein mythisches Rückzugsgebiet für alle möglichen Schlimmfinger der seinerzeit britischen Kronkolonie, bis dieser Homunkulus an Stadtplanung 1993 eingeebnet wurde. Wenn eine Wohnkolonie ein B-Movie sein könnte, Walled City würde Kultstatus genießen. Und ist jetzt eine Kulisse, die Typen auf engstem Raum zusammenbringt, wo man sich im Grunde nicht aus dem Weg gehen kann und Eskalation das Gebot der Stunde ist. Man traut seinen Augen nicht. 

In diesem engen Rahmen spielt sich alles ab, was modernes Heroic Bloodshed zu bieten hat. Freundschaft, Verrat, Loyalität, Rivalität, Ehre, Leben, Tod. Und Kampf. Mehr geht nicht. Von Philip Ng Wan-lung choreographiert, haben die epischen Auseinandersetzungen ein Eigenleben wie das Labyrinth aus kleinen Wohnungen, sich schlängelnden Stromleitungen, schmutzigen Gassen und kalter Beleuchtung, in denen sie orchestriert werden. Und vier junge Außenseiter zusammenbringen, die einem ewigen Ringen zweier Gangsterorganisationen, angeführt von Louis Koo und dem legendären Sammo Hung, um die Vorherrschaft in der gesetzlosen Walled City eine neue Dringlichkeit geben. Und natürlich darf man das dann auch als Staffelübergabe ansehen: Hier kommen die jungen Wilden!

Das Ganze ist irre gut gemacht, reich technisch über jeden Zweifel erhaben und erzählerisch so funktionabel, dass die wenigen stillen Momente der Kontemplation und des sich wieder Sammelns nicht negativ ins Gewicht fallen. Denn eines ist hier so gewiss in diesem atmenden Organismus von krasser Stadt, die wie eine Festung dasteht, keiner kommt rein, keiner kommt raus: Wer drin ist, wird dem nächsten Kampf nicht entgehen können. Weil hier Kino der Coolness zelebriert ist, und nur der cool ist, der den noch extremeren Move draufhat und mehr aushält als alle anderen. Schön, dass Plaion dieses Erlebnis in die deutschen Kinos bringt. Man hat es sich verdient. 

Thomas Schultze