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Premium punktet

Die britische Kinokette Everyman Cinema konnte mit ihrem Angebot der branchenweiten Entwicklung in Großbritannien trotzen – und verzeichnete im ersten Halbjahr ein stattliches Plus. Im Schnitt stand jeder einzelne der 45 Standorte für mehr als eine Mio. Pfund Umsatz.

Enormer Erfolg mit gehobenem Angebot: Everyman Cinema wächst und wächst. (Credit: IMAGO/Dreamstime)

Wenn man über den britischen Kinomarkt schrieb, dann zuletzt vor allem vor dem Hintergrund des eher unglücklichen Umstandes, dass sich die zunächst rasante Erholung aus dem Pandemie-Tief dort zuletzt beinahe ebenso rasant verlangsamt hatte. Gerade auch der britische Kinomarkt sieht sich vor erhebliche Herausforderungen gestellt, umso mehr gilt dies für den Kinogiganten Cineworld, der sich aktuell in Verhandlungen über einen Restrukturierungsprozess befindet, bei dem da Schicksal zahlreicher Standorte auf dem Spiel steht.

Aber um das auch einmal ins Rampenlicht zu rücken: Wenn wir von UK als einem herausgeforderten Markt sprechen – dann doch von einem, dessen Verhältnisse man sich hierzulande nur erträumen kann. Denn auch wenn das Boxoffice im Vereinigten Königreich im ersten Halbjahr 2024 um gut sieben Prozent hinter dem Vorjahreszeitraum zurückblieb, steht da (laut Comscore) doch die Summe von 535 Mio. Euro. In einem Markt mit gut 67 Mio. Einwohnern. Dagegen nehmen sich die 371 Mio. Euro, die in Deutschland mit rund 84 Mio. Einwohner eingespielt wurden, dann doch irgendwie…bescheiden aus.

Keine Frage: Die Voraussetzungen sind nur bedingt vergleichbar, der britische Kinomarkt profitiert nicht zuletzt von der Bevölkerungsfokussierung auf Metropolen. Dennoch bietet der Markt diverse Konzepte, die auch aus deutscher Sicht mehr als nur einen flüchtigen Blick wert sein sollten. Vor allem beim Thema „Loyalty-Programme“ scheinen uns die Briten ein gutes Stück voraus zu sein.

Womit wir aber auch endlich die Exposition verlassen und zum Kern dieses Artikels kommen: der Halbjahresbilanz von Everyman Cinema. Einer Kette, deren Name Unkundigen beinahe das Falsche signalisieren könnte. Denn sonderlich günstig (wie in „für jedermann erschwinglich“) sind die Tickets dort nicht unbedingt, tatsächlich sind die Everyman-Standorte eher in der Premium-Kategorie anzusiedeln.

Und dort punkten die mittlerweile 45 Standorte. Ordentlich. Aktuellen Zahlen für das erste Halbjahr zufolge konnte Everyman Cinema den Umsatz im Jahresvergleich um 23 Prozent steigern (bei dem bereits erwähnten Minus im Gesamtmarkt von sieben Prozent), von rund 38,3 Mio. Pfund ging es auf 46,9 Mio. Pfund. Oder anders formuliert: Im Schnitt stand jeder einzelne der Standorte für Halbjahresumsätze von gut einer Mio. Pfund.

Dabei stehen sich Ticketumsatz und F&B-Umsatz beinahe paritätisch gegenüber. Denn während der Durchschnittspreis für ein Ticket im ersten Halbjahr bei 11,76 Pfund lag (gegenüber 11,49 im Vorjahreszeitraum), erreichte der Pro-Kopf-Umsatz bei Essen und Getränken 10,47 Pfund nach 10,25 Pfund im ersten Halbjahr 2023. Derartige Sphären sind natürlich der Tatsache geschuldet, dass Everyman je nach Standort eine große Auswahl an Fingerfood, Burgern, Pizzen und ähnlichem bereithält – und man derartiges Essen auch an den Platz ordern kann. Und tatsächlich jener, dass Everyman den einzelnen Kinobesuch unter anderem über Mitgliedschaften stark rabattiert – man würde sich ansonsten schwertun, beim Einzelkauf ein Ticket für „nur“ knapp zwölf Pfund zu erwerben.

Die gestiegenen Pro-Kopf-Umsätze zeigen schon: Die Umsatzentwicklung erfolgte überproportional zu jener des Besuchs, das Plus von 19 Prozent bei den verkauften Tickets kann sich aber trotzdem mehr als sehen lassen; in absoluten Zahlen ging es von rund 1,6 auf rund 1,9 Mio. Besuche. Auch wenn die Rechnung so nicht ganz aufgeht, weil sie andere Umsatzquellen wie Werbung außer Acht lässt: Aber im Prinzip ließe sich behaupten, dass Everyman pro Besuch knapp 25 Pfund Umsatz machte. Kann man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen. Beim EBITDA ging es übrigens auf rund 6,2 Mio. Pfund, nach 5,8 Mio. im ersten Halbjahr des Vorjahres.

Unterdessen gilt für die Umsatzentwicklung das, was man beispielsweise auch bei den Bilanzen von IMAX stets im Hinterkopf behalten muss: Das Wachstum geht auch auf eine Zunahme der Standorte zurück – alleine 2023 vergrößerte sich Everyman um sechs Häuser, darunter waren zwei Übernahmen von Häusern der Pleite gegangenen Empire Cinemas. In diesem Jahr gab es bislang eine Standorteröffnung zu feiern, zwei weitere sollen im November und Dezember folgen.

„Wir haben in der ersten Jahreshälfte erneut ein robustes Wachstum bei Umsatz und EBITDA erzielt und damit unsere Position als einer der führenden Anbieter in der britischen Kinolandschaft gestärkt“, so Everyman-CEO Alex Scrimgeour. „Unsere anhaltend starke Performance, die vom Verlangen der Verbraucher nach dem einzigartigen Everyman-Angebot angetrieben wird, kommt trotz eines deutlichen Rückgangs der Filmproduktion nach den Autoren- und Schauspielerstreiks im letzten Jahr.“

Scrimgeours umso positiveren Ausblick auf das zweite Halbjahr, das vor allem im späteren Verlauf zahlreiche potenzielle Hits bietet, teilen offenbar auch Anleger – der Kurs von Everyman jedenfalls legte nach Bekanntgabe der Zahlen zu.