Login

Stefan Raiser zu „Dr. Nice“: „Es muss halt alles passen“

Dreamtool-Entertainment-Geschäftsführer Stefan Raiser schwärmt vor dem linearen Start der zweiten „Dr. Nice“-Staffel am Sonntag vom Senderpartner ZDF. Er lobt Planbarkeit und Experimentierfreude und kündigt das nächste Serienprojekt „Schattenseite“ an.

Produzent Stefan Raiser (l.) mit seinem „Dr. Nice“-Hauptdarsteller Patrick Kalupa
Produzent Stefan Raiser (l.) mit seinem „Dr. Nice“-Hauptdarsteller Patrick Kalupa (Credit: Stephan Rabold/Dreamtool/ZDF)

Die erste Staffel der von Ihrer Dreamtool Entertainment produzierten ZDF-Arztserie „Dr. Nice“ war ein schöner Erfolg. Was ändert sich jetzt bei Staffel zwei neben dem offensichtlichen Fakt, dass es nicht mehr zwei, sondern vier Filme sind?

Stefan Raiser: Wir legen eine Schippe drauf, versammeln noch mehr Qualität vor und hinter der Kamera. Wir hatten uns vorgenommen Tempo, Witz und Herz noch deutlich zu steigern. Wir wussten, dass die Filme auch noch besser aussehen, mehr Value haben können. Unser Protagonist sollte nicht geschmeidiger in seiner Art werden. Im Gegenteil, Moritz Neiss sollte noch frecher und noch weniger politisch korrekt werden. Es gab für den Auftakt überwältigendes Zuschauer-Feedback jenseits der Einschaltquoten und der Streaming Zahlen und wir sehen jetzt anhand der Mediathek, wo die zweite Staffel seit 20. April komplett abrufbar ist, dass wir mit den vier neuen Filmen wohl erneut einen Nerv getroffen haben.

Woran merkten Sie als Produzent bei der ersten Staffel jenseits der TV-Quote, dass Sie einen Hit an der Hand haben? 

Stefan Raiser: Wir machen, jenseits der Herzkino-Facebook-Seite des ZDF, eine genaue Social-Media- und Internet-Beobachtung, auch der vielen Boulevardseiten im Netz. Daran merkt man schon, wie die Strahlkraft des Formats ist. Wir haben den Vergleichswert, wie viele Zuschriften wir bei „Ella Schön“ bekamen und jetzt bei „Dr. Nice“ bekommen. Allein zu den Outfits, den Schuhen und Jacken von Moritz Neiss werden wir mit Nachfragen geflutet. Das sind teils untypische Herzkino-Zuschauer, junge Menschen, die zum Beispiel gerne für ihren Partner die Jacke besorgen wollen. Man versucht immer diese Eier legende Wollmilchsau am Sonntagabend hinzubekommen: Nicht die Stamm-Zuschauer zu verprellen, die auch gerne „Rosamunde Pilcher“ gucken, aber möglichst auch neue Menschen hinzuzuholen.

„Etwas, was strahlt und herausragt, aber nicht schrill, sondern klug und empathisch ist.“

Stefan Raiser

Wie schwer ist es heutzutage, eine neue Fiction-Marke im deutschen Fernsehen zu etablieren?

Stefan Raiser: Die Zeiten sind schrill und laut, dementsprechend anspruchsvoll ist es durchzudringen. Die Herzkino-Redaktion ist unheimlich engagiert und jenseits dem Pilcher-Klischee längst sehr experimentierfreudig geworden. So mutig gingen wir auch an das Projekt „Dr. Nice“ heran. Ich wollte Leute vor und hinter der Kamera finden, für die sich 40 Filme in zehn Jahren gut anhören. Wer darauf keine Lust hatte, war sowieso schon raus. Wir wollten eine Figur mit einem ganzen Universum und einer gewissen Auffälligkeit schaffen. Etwas, was strahlt und herausragt, aber nicht schrill, sondern klug und empathisch ist. Ich werde von Cast und Team aufgezogen, dass ich mit Moritz Neiss ja mein Alter Ego geschaffen hätte. Sneaker, Jacken, Attitüde. Mag sein. Geschadet hat es am Ende hoffentlich nicht. Ich warb für diesen Titel, auch wenn man bei Anglizismen in der Primetime skeptisch war. Aber „Dr. Nice“ ist einfach unglaublich griffig.

Der Eröffnungssong, Chuck Berrys „You Never Can Tell“, den die meisten Menschen wahrscheinlich aus dem Kultklassiker „Pulp Fiction“ kennen, ist bereits eine Ansage.

Stefan Raiser: Auch um den Song wurde gerungen und es gab viele Vorschläge. Aber dieser Klassiker ist genau der Gute-Laune-Song, den man sich merkt und der vom ersten Takt an eine klare Annonce ist. Klar, viele erinnert das an „Pulp Fiction“. Aber der Song geht vor allem ins Ohr und man merkt sofort, dass man zu etwas anderem am Sonntagabend geladen ist als sonst.

Inwiefern sind Sie in die Drehbücher involviert?

Stefan Raiser: Ich schreibe Notes und Texte, füttere den Prozess intensiv mit Geschichten, Bögen, Szenen, Momenten, und Biografien, so wie auch die großartigen Headautor:innen Elke Rössler und Simon X. Rost. Gemeinsam mit der Producerin Sibylle Illner, der Redaktion und den jeweiligen Autor:innen, wie Malina Nnendi Nwabuonwor oder Robert Gold, machen wir das Material in einem Pingpong besser und besser. Das ist alles Teamwork, aber ich denke, dass es für eine hohe Schlagzahl und eine eindeutige Handschrift, die eine Person braucht, bei der wirklich alles zusammenläuft und die optimalerweise die inhaltliche wie budgetäre Verantwortung trägt. So interpretiere ich auch meine Rolle in der Zusammenarbeit mit Regie, Kamera, Szenenbild, Kostüm, Musik, Schnitt und allen anderen Departments.

Sie kommen gerade vom Set der dritten „Dr. Nice“-Staffel in Berlin, bei der das ZDF nochmal mehr Filme bestellte: Nicht mehr vier, sondern gleich sechs Episoden. Wie wichtig ist das für Ihre Produktionsfirma Dreamtool?

Stefan Raiser: Das ist super, antizyklisch unterwegs zu sein, in einer Phase, in der die Aufträge wieder zurückgehen. Ich will vor allem das ungeheure Vertrauen des ZDF betonen. Bislang sind gerade einmal zwei Filme linear gelaufen. Und das ZDF geht mit zehn Filmen ins Risiko. Bei all der Kritik, die oft Richtung ARD und ZDF geäußert wird: Einen besseren Partner kann man gar nicht finden. Dieser Glaube an das Programm ist mehr als außergewöhnlich. Für das Format ist es fantastisch, weil ich mit allen wichtigen Beteiligten ganz anders über die Zukunft reden kann. Planungssicherheit ist der entscheidende Faktor, um das beste Personal zu gewinnen, das wiederum der Schlüssel ist für herausragende Qualität. Unser Dreamteam bekomme ich nur, wenn ich ein verlässlicher Partner bin. Ich konnte vergangenes Jahr im Oktober schon belastbar sagen: Das ganze kommende Jahr bist du von mir gebucht, weil wir sechs Filme drehen dürfen.

Stefan Raiser Porträt
(Credit: Puria Safary/Dreamtool)

Stefan Raiser

Was spiegelt Ihnen die ZDF-Redaktion für die weiteren Staffeln im Austausch?   

Stefan Raiser: Der Austausch ist konstruktiv. Wir legen vor: den Fokus, die Bögen, die Fälle. Vom ZDF kommt kluger Input und Anregungen. Wir überarbeiten und gehen direkt in die Bücher. „Dr. Nice“ ist nicht nur eine Herzkino-Reihe mit einer männlichen Hauptfigur, was für diesen Sendeplatz schon ungewöhnlich ist. Wir haben auch kein romantisches Versprechen, was man normalerweise erwarten würde. Das Feedback der ZDF-Redaktion ist vor allem nicht geschmäcklerisch, sondern präzise dramaturgisch. Da ist die Herzkino-Abteilung super aufgestellt. Gestartet haben wir „Dr. Nice“ mit Katharina Görtz und bald kam Thorsten Ritsch dazu. Flankiert wird das Miteinander von Christina Kaschuba, der besten Dramaturgin hierzulande, die uns schon seit „Ella Schön“ von Seiten des ZDF eng begleitet.

Wenn schon der Titel „Ella Schön“ fällt, die als Reihe im Jahr 2022 zu Ende ging: Wie bewerten Sie die Gesamtlage für Dreamtool Entertainment als Produktionsfirma?

Stefan Raiser: Jetzt drehen wir bis Mitte November 123 Drehtage „Dr. Nice“, was ein unglaubliches Pensum ist. Im zweiten Halbjahr machen wir noch eine sechsteilige Streaming-Serie, die auf dem Besteller „Schattenseite“ von Jonas Ems basiert. Ein YA-Drama mit Thriller-Elementen, das Ems selbst zusammen mit Hanna Hribar adaptiert.

Sie arbeiten viel mit den Öffentlich-Rechtlichen zusammen. Wären nicht auch RTL Deutschland oder ProSiebenSat.1 wieder mögliche Partner für die Zukunft?

Stefan Raiser: Unsere Primetime-Anfänge waren bei den Privatsendern. Bei ProSieben machten wir unser erstes TV-Movie „Mein erster Freund, Mutter und ich“, der mit Grimme-Preis Nominierung, zwei Deutschen Fernsehpreisen und Bayerischem Fernsehpreis einschlug. So richtig auf die Landkarte der Branche kamen wir mit den RTL-Eventfilmen. Natürlich können die Privaten, wie auch die Streamer spannende Partner sein, aber die enorme Verlässlichkeit und Jahrzehnte lange Fiction Kompetenz der Öffentlich-Rechtlichen ist nur schwer zu toppen. Es muss halt alles passen.

Das Interview führte Michael Müller