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Rainer Weiland vom Mediengründerzentrum NRW: „Je vielfältiger, internationaler und diverser, desto besser!“ 

Seit 2006 unterstützt das Mediengründerzentrum NRW junge Unternehmer aus allen Bereichen der audiovisuellen Medien bei der Firmengründung. Rainer Weiland leitet das MGZ: Als Journalist kümmerte er sich bereits im Wirtschaftsministerium und in der Staatskanzlei der Landesregierung NRW um die Gestaltung der Medienpolitik des Landes, anschließend war er Geschäftsführer der ifs Internationale Filmschule Köln.

Rainer Weiland vom Mediengründerzentrum NRW (Credit: MGZ NRW)

Wie unterscheiden sich die MGZ-Programme von anderen Ausbildungen, insbesondere von der Filmhochschulausbildung? 

Rainer Weiland: Ganz einfach: Erst kommt die Hochschule oder die Ausbildung, dann kommt das MGZ. Die Hochschulen bereiten ihre Studierenden auf vielfältige Felder in der Medienproduktion vor – vom Drehbuch bis zur Produktion. Wir sprechen Medienschaffende und Kreative an, die ihr Studium oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben und ihre kreativen Visionen nun in einem eigenen Unternehmen umsetzen möchten. Unsere Stipendiat:innen sind also bereits als Medienunternehmer:innen mit einer eigenen Firma unterwegs und begegnen dabei vielen Herausforderungen: Wie plane und finanziere ich mein Unternehmen? Wie arbeite ich meinen USP heraus? Wie finde ich meine Position im Medienmarkt, und welche Player sind dabei relevant? Und wie entwickle ich ein Führungsverständnis, das zu meinen Werten und zu meinem Unternehmen passt? Wenn wir für diese Fragen konsistente Antworten finden, werden aus guten Ideen erfolgreiche Unternehmen.

Arbeiten Sie trotzdem mit der ifs und anderen Hochschulen zusammen?

Rainer Weiland: Auf jeden Fall! Die Zusammenarbeit mit der ifs ist besonders eng. Wir sind im selben Gebäude, nutzen gemeinsam die Räume und die Infrastruktur, tauschen uns eng über spannende Referent:innen aus und öffnen immer wieder einzelne Veranstaltungen für die Partnerorganisation. Auch mit der Kunsthochschule für Medien Köln und anderen Hochschulen, etwa dem Cologne Game Lab, der Universität Köln und auch privaten Unis ist die Zusammenarbeit sehr gut. Viele Absolvent:innen der Hochschulen kommen nach ihrem Abschluss zu uns, wenn sie ein eigenes Unternehmen aufbauen wollen. Kurz und gut: Wir haben einen anderen Auftrag als die Hochschulen, aber wir bilden zusammen das „Talent-Netzwerk“ in NRW – und das funktioniert hervorragend!

Wie viele Stipendien werden derzeit pro Jahr vergeben?

Rainer Weiland: Wir vergeben jährlich 12 Unternehmens-Stipendien. Zum Stipendium gehören 12.000 € Betriebszuschuss, wöchentliche Seminare, ein individuelles Business-Coaching, ein Mentoring bei erfahrenen Branchen-Playern und ein starkes Netzwerk. Ein Stipendiat hat das einmal so bewertet: Der Betriebszuschuss ist „bronze“, das Know-how aus den Seminaren und dem Coaching ist „silber“ – und das Netzwerk ist „gold“. Tatsächlich trägt das Netzwerk die Mediengründer:innen noch viele Jahre nach dem Stipendium – ein:e gute:r Medienunternehmer:in braucht ein sehr gutes Adressbuch! 

„Diversität spielt für uns eine sehr wichtige Rolle. Denn die Medienbranche ist Teil der Bewusstseinsindustrie. Sie spiegelt, reflektiert und beeinflusst Meinung.“

Rainer Weiland

Warum sind die Stipendien nur auf die Dauer eines Jahres angelegt?

Rainer Weiland: Fragen Sie unsere Stipendiat:innen: Das Stipendienjahr ist super intensiv. Wöchentliche Seminare, Coaching, Mentoring, Veranstaltungen – all das kostet Zeit. Und zugleich sind unsere Stipendiat:innen ja vor allem gefordert, ihr Unternehmen zu führen und aufzubauen, Produktionen und Projekte zu akquirieren und umzusetzen, Mitarbeiter:innen zu suchen. Das kann man nicht unbegrenzt parallel machen. Deshalb haben wir das Programm auf ein Jahr beschränkt. Zugleich wissen wir: Es braucht im Durchschnitt mindestens drei Jahre, bis ein Unternehmen wirklich gesettled ist, bis Kund:innenen- und Kooperationsstrukturen stabil und krisenfest stehen. Und weil das so ist, bieten wir unseren Alumni auch nach dem Stipendienjahr noch Unterstützung an. Mit Seminaren, Netzwerk und Austausch. Das funktioniert sehr gut.

Welche Voraussetzungen sind notwendig, um ein Stipendium zu erhalten?

Rainer Weiland: Wir sprechen Medienschaffende aus Deutschland und der ganzen Welt an. Dieses Jahr sind in unseren Programmen Teilnehmende aus Indien, Südafrika, Vietnam, Mexiko, der Ukraine oder Frankreich mit dabei. Allerdings: Ihre Firma muss ihren Sitz in NRW haben. Wir wollen herausragendes kreatives und unternehmerisches Talent für den Standort gewinnen. Je vielfältiger, internationaler und diverser, desto besser. Zudem: Alle Bewerber:innen müssen profundes fachliches Know-how mitbringen, egal ob an der Hochschule, in einer Ausbildung oder auch in der Medien-Berufspraxis erworben, und sie sollten eine schlüssige Unternehmensidee dabei haben. 

Spielt eine internationale Ausrichtung oder auch Diversität bei der Vergabe eine Rolle?

Rainer Weiland: Diversität spielt für uns eine sehr wichtige Rolle. Denn die Medienbranche ist Teil der Bewusstseinsindustrie. Sie spiegelt, reflektiert und beeinflusst Meinung. Wenn also die Medienbranche mit ihren Angeboten die gesamte Breite der Gesellschaft ansprechen will, dann muss sie diese Breite auch in sich repräsentieren. Und zugleich: Wer mit seinen Produkten Geld verdienen will, der sollte auch die Vielfalt der Zielgruppen kennen und verstehen. Für all das brauchen wir noch viel mehr Diversität in der Medienbranche, und zwar in allen Dimensionen: Herkunft, soziale Milieus, Beeinträchtigungen, Bildungswege, Religionen, sexuelle Orientierungen u.v.m. sollten vielfältig und vieldimensional abgebildet sein. Für uns ist das ein hoher Wert. 

„Die Erfolgsquote ist fantastisch! Knapp 90 % unserer ehemaligen Stipendiat:innen sind bis heute im Medienmarkt präsent.“

Rainer Weiland

Seit 2022 haben gibt es das „MGZ-Sheroes-Programm“ – was steckt hinter der Idee?

Rainer Weiland: Als ich vor vier Jahren zum MGZ kam, fiel mir auf, dass es unter unseren Stipendiat:innen einen großen Männerüberhang gab. Das hat mich verwundert, denn in den Filmhochschulen haben wir in wichtigen Studienbereichen heute bereits fast eine Parität zwischen Männern und Frauen erreicht. Weil nur ein Viertel unserer Bewerbungen von Frauen eingereicht wurde, haben wir das Sheroes-Programm aufgelegt. Ziel ist es, mehr FLINTA*-Personen für die Gründung eines Medienunternehmens – und für die Bewerbung um unser Jahresstipendium – zu begeistern. Die Wahrnehmung des Programms ist groß. Wir haben von Jahr zu Jahr steigende Bewerbungszahlen. Inhaltlich bieten wir Seminare zu Strategie, Finanzierung, Planung und Controlling, aber auch zu den Themen Motivation, Verhandlungsführung, Kommunikation und Pitching. Dazu viele Kontakte in die Branche und spannende Veranstaltungen. Im Ergebnis haben wir den Frauenanteil bei den Bewerbungen für unser Jahresstipendium deutlich steigern können. Wir sind bei der finalen Auswahl der Stipendiat:innen immer noch nicht bei 50:50, bei der Parität angelangt, aber für das Jahr 2025 ist das unser Ziel.

Wie hoch ist die aktuelle Erfolgsquote bei den Jahresstipendien?

Rainer Weiland: Die Erfolgsquote ist fantastisch! Knapp 90 % unserer ehemaligen Stipendiat:innen sind bis heute im Medienmarkt präsent. Nicht alle immer noch in der ursprünglichen Besetzung und Unternehmenskonstellation – Menschen und Unternehmen entwickeln sich weiter –, aber sie sind weiter in der Branche unterwegs: mit starken Unternehmen, innovativen Projekten und zahlreichen preisgekrönten Produktionen! Das zeigt für mich, dass unser Konzept richtig ist und nachhaltig wirkt.

Worauf sind Sie als Leiter des MGZ besonders stolz?

Rainer Weiland: Ich bin in erster Linie dankbar, dass ich mit so vielen inspirierenden und hoch kompetenten Gründer:innen arbeiten darf. Wir verstehen Lernprozesse hier im MGZ nie als Einbahnstraße. Ich lerne von unseren Stipendiat:innen genauso viel wie sie vom MGZ. Und ich freue mich riesig über die vielen Erfolge unserer Stipendiat:innen. Da ist inzwischen eine neue Generation von Medienunternehmer:innen unterwegs, die tatsächlich etwas verändern will und kann: die gesellschaftlich hoch relevante Themen verhandelt, neue und zukunftsrelevante Stoffe und Formate entwickelt, die jenseits von Macht und Hierarchie die Zusammenarbeit im Unternehmen und in der Produktion neu erfindet und die auch die internationale Zusammenarbeit auf ein neues Level bringt. Das alles, die Frage, wie die neue Generation von Medienunternehmer:innen die Branche verändert, ist übrigens auch Thema unseres MGZ-Summit am 22.10. beim Film Festival Cologne! 

Gibt es denn einen Trend, der Ihnen besonders auffällt oder relevant erscheint?

Rainer Weiland: Es fällt mir tatsächlich auf – und darüber freue ich mich ebenfalls –, dass viele unserer ehemaligen Stipendiat:innen inzwischen sehr stark auf internationale Kooperationen und internationale Märkte setzen. Sei es nun die augenschein Filmproduktion, die Weydemann Bros., die btf bildundtonfabrik, filmfaust, CORSO Film oder auch Across The Board – sie alle nutzen die vielfältigen Chancen der Produktion für den internationalen Raum. Da sehe ich weiter riesige Chancen und die werden wir auch in den nächsten Jahren in unserem Stipendienprogramm noch stärker in den Blick nehmen.

Das Gespräch führte Corinna Götz.