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Claudia Lehmann zu 25 Jahre maz&movie: „Man wächst an seinen Aufgaben“

Seit 25 Jahren ist Claudia Lehmann mit ihrer Kreativagentur maz&movie aus dem deutschen Filmgeschäft nicht mehr wegzudenken. Anlässlich der großen Geburtstagsfeier in Berlin sprachen wir mit ihr über ihren Job, die Branche, Lieblingsprojekte und warum die Arbeit heute ebenso viel Spaß macht wie am Anfang. 

Zurecht stolz auf 25 Jahre maz&movie: Claudia Lehmann (Credit: Tina Krohn Photo)

Wenn Sie gefragt werden, was maz&movie macht. Was würden Sie antworten?

Claudia Lehmann: Wir sind eine Kreativagentur für Medien und Events. Auf der einen Seite produzieren wir Bewegtbildcontent für unterschiedlichste Plattformen und Branchen, vom kurzen Social-Media-Clip bis hin zum langen Format. Auf der anderen Seite organisieren wir Events, von der Hollywood-Filmpremiere über Pressekonferenzen hin zu Corporate Events für Firmen und Award Shows. Und das von der inhaltlichen Konzepterstellung bis zur letzten Kirsche beim Catering. Wenn beide Bereiche ineinandergreifen, wenn wir ein Event organisieren und es dann via Bewegtbild auch noch dokumentieren, livestreamen und auf Social Media teilen, dann ist das ein echter Glücksmoment.  Es macht mir immer noch so viel Spaß wie am Anfang, vor 25 Jahren in Köln. Vielleicht sogar noch mehr. Das Team ist inzwischen viel größer – und ich kann mehr Verantwortung abgeben.

Wie groß ist die Firma, wie viele Angestellte haben Sie mittlerweile?

Claudia Lehmann: Wir haben tatsächlich recht viele Festangestellte, was ich sehr schätze, weil wir dadurch eine eingeschworenere Familie sind. Man muss nicht projektweise schauen, wo wir gute freie Mitarbeitende herbekommen, die dann möglicherweise gerade in anderen Aufgaben stecken. Ich mache fast immer unbefristete Verträge, weil ich meinen Leuten gerne das Gefühl geben möchte, dass sie sich bei uns zu Hause fühlen und entwickeln können. Wir haben viele Mitarbeitende, die mit einem Praktikum angefangen haben und jetzt Creative Director oder in ähnlichen Führungspositionen sind. Manche Kolleg:innen sind schon seit fast 20 Jahren bei uns, wie meine tolle Büroleiterin Anja Wussow. Diese Treue weiß ich wirklich sehr zu schätzen. Es gibt auch Mitarbeitende, die mal raus sind, weil sie Kinder bekommen haben oder die Welt kennenlernen wollten, dann aber zurückgekommen sind. Darüber bin ich sehr froh. Der Familiensinn steht bei uns sehr im Vordergrund. Aktuell haben wir 35 Mitarbeitende, 20 Frauen, 15 Männer, darunter einige Auszubildende:  zwei im Bereich Technik/Mediengestaltung, dann haben wir noch zwei Volontärinnen in der Redaktion. Für die Eventabteilung haben wir gerade eine Auszubildende eingestellt. Junge Talente zu finden und aufzubauen, finde ich sehr wichtig. Die meisten Auszubildenden sind in der Firma geblieben, was ich als gutes Zeichen werte. Natürlich arbeiten wir auch mit freie Mitarbeiter:innen, speziell in den anderen Städten. Wir sind ja nicht nur in Berlin aktiv, sondern bundesweit und auch international.

Wenn Sie auf 25 Jahre maz&movie zurückblicken: Welche Ereignisse würden Sie als Meilensteine, als unvergessliche Erinnerungen herausheben?

Claudia Lehmann: Zu den Meilensteinen zählten, dass wir immer wieder die Chance bekommen haben, Dinge zu probieren. Karola Schmitt, die langjährige Pressechefin von Universal, hatte uns zum Beispiel nicht lange nach Gründung von maz&movie gefragt: „Macht ihr eigentlich auch Pressekonferenzen?“ Ich sagte: „Na klar!“, war ja selbst als Journalistin auf zahlreichen Pressekonferenzen gewesen und dachte, so schwer kann das nicht sein. Also hat uns Universal den Auftrag für eine riesige Pressekonferenz mit Hugh Grant, Heike Makatsch, Bill Nighy und Richard Curtis gegeben: „Tatsächlich Liebe“, die ich nicht nur organisieren, sondern auch moderieren durfte. Seitdem sind wir auf diesem Feld aktiv. So ging es bei anderen Dingen auch. Wir waren für die Branche in einem Bereich aktiv, dann kam ein anderer hinzu. Wir haben uns stetig vergrößert, weil uns die Branche das zugetraut hat. Zum Glück konnten wir die Herausforderungen gut meistern und uns ständig weiterentwickeln – man wächst schließlich an seinen Aufgaben. 

Claudia Lehmann rockt natürlich auch den Roten Teppich 😍 (Credit: Kati Bochmann)

Gibt es auch ein Event, das ganz besonders war?

Claudia Lehmann: Klar, es gibt viele tolle Projekte, an die ich total gerne zurückdenke. Eines der verrücktesten Events war sicher für Netflix ein Special Screening zu Peter Thorwarths Film „Blood Red Sky“. Wir sollten ein Influencer-Event organisieren mit einem Twitch-Livestream. Dafür haben wir das Original-Drehflugzeug, das in Einzelteilen in Tschechien in Containern gelagert war, nach Berlin geholt und über mehrere Tage im Motorwerk Berlin wieder aufgebaut. Drumherum haben wir eine kleine Flughafensituation gebaut, mit Check-in und einem Gate, es wurden, passend zum Vampir-Thema, Cocktails in Bluttransfusionsbeuteln ausgeschenkt und der Film wurde im Flieger, am Originalschauplatz, gescreent, inklusive Vampirattacke. Das war wirklich eins der verrücktesten Events bislang. Auch die Weltpremiere von „Atomic Blonde“ war ein Meilenstein. Wir hatten viele Influencer aus aller Welt, aber auch Hosts von großen US-Entertainmentshows in Deutschland, für die wir eine 1980er-Jahre-Erlebnistour in Berlin organisiert haben inklusive Trabbi- und Spree-Tour. Das Entscheidende ist immer, für die Gäste ein Erlebnis zu schaffen, einzutauchen in eine andere Welt. Genau wie wir durch Filme die Möglichkeit haben, in andere Welten einzutauchen, wollen wir den Gästen unserer Events eine Reise in die Welt des Films oder der Serie ermöglichen. Wenn das gelingt, sind das für uns echte Highlights.

maz&movie macht alles möglich: Kurz mal das Originalflugzeug aus „Blood Red Sky” für die Premiere wieder aufgebaut (Credit: maz&movie/Kati Bochmann)

Was zählt noch zu Ihren Lieblingsprojekten?

Claudia Lehmann: Eines unserer redaktionellen Lieblingsprojekte aus jüngerer Zeit sind sicherlich die Lola-Talks, die wir für die Deutsche Filmakademie umsetzen. Ein echtes Herzensprojekt, weil wir tief eintauchen durften, richtig lange Gespräche führen, mit allen Gewerken, mit allen Nominierten des deutschen Filmpreises, was auch dazu beiträgt, dass diese sich untereinander besser kennenlernen. Die Lola-Talks haben allen Beteiligten großen Spaß gemacht. Wir freuen uns jetzt schon aufs nächste Jahr!

Corona hat Sie auch gezwungen, neu zu denken, neue Dinge auszuprobieren…

Claudia Lehmann: Corona hat blitzschnelles Umdenken erfordert. In unserem Fall: wie können wir unsere Produkte: Junkets, PKs und Events, digitalisieren? Anfangs herrschte natürlich Panik: alle Kinos zu, keine Events mehr, nichts. Wie wird das ausgehen? Wir haben dann zum Glück erfolgreich um eine Glasfaserverkabelung gekämpft und uns speziell mit befreundeten Firmen in den USA gegenseitig die Bälle zugespielt, um digitale Produkte wie die virtuellen Junkets zu entwickeln, sie technisch und organisatorisch gut und sicher aufzusetzen. Wir waren super happy, da so schnell aufgesprungen zu sein, weil kurz danach Netflix anrief und fragte: „könnt ihr auch virtuelle Junkets?“ Es gab einige Testläufe, dann ging es los. Heute sind virtuelle Junkets mit JournalistInnen und Talents aus aller Welt eine gelernte Sache. Sie sind nicht mehr wegzudenken. Wir können inzwischen die ganze Welt sicher digital verbinden. Gerade in der vergangenen Woche hatten wir ein riesiges virtuelles Junket zu Roland Emmerichs neuer Prime Video-Serie „Those About To Die“, mit Teilnehmenden von Australien bis Indien, von Island bis Los Angeles. Das ist auf jeden Fall auch ein Meilenstein. Da haben wir uns für Deutschland eine große Expertise und ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet.

Würde die Claudia Lehmann von 1998, die sich überlegt, diesen Schritt zu gehen, überrascht sein, die Idee, die sie damals hatte, in der Firma heute wiedererkennen?

Claudia Lehmann: Die Projekte, die ich am Anfang gemacht habe, wie Junkets, Drehbegleitungen, Beiträge, Bewegtbildcontent, machen wir bis heute und tatsächlich immer noch für dieselben Kunden. Auftraggeber der ersten Stunde waren Universal Pictures, Disney (damals noch Buena Vista), Constantin Film, Tobis und Warner Bros. Die engagieren uns tatsächlich bis heute, andere Verleiher und Streamer sind später dazugekommen. Für diese Treue bin ich von Herzen dankbar. Das ist das Besondere an dieser Branche. Mich berührt, auch wenn wir natürlich hart dafür arbeiten, über so viele Jahre so gute Beziehungen und oft auch Freundschaften aufgebaut zu haben. Sicher hätte ich damals nicht gedacht, dass ich heute in Berlin sein werde, weil ich ja in Köln mit der Selbstständigkeit gestartet bin, und dass die Firma so groß wird. Aber dass die Firma das macht, was sie heute macht, habe ich immer gedacht. Und klar war auch immer, dass ich das nicht nur kurz ausprobiere und dann wieder in eine Festanstellung zurückgehe. Das war ein sehr bewusster Schritt, den ich wirklich nie bereut habe.

25 Jahre: Das Team von maz&movie feiert (Credit: maz&movie)

Was haben Sie aus Ihrer Zeit bei RTL, wo sie Ende der 90er die Kinosendung „Exclusiv Kino“ hatten, mitgenommen?

Claudia Lehmann: Durch die Kinosendung hatte ich das Glück, irrsinnig viel im Ausland unterwegs sein zu können. Ich war bei vielen Premieren, an Film-Sets, bei den großen Award-Shows, bei internationalen Junkets und auf den großen Filmfestivals. Da habe ich gesehen, wie andere es machen, und genau geguckt, wie das funktioniert. Damals, Ende der 90er, gab es das in Deutschland noch nicht. Damals haben die Studios ihre Kamerateams aus London einfliegen lassen für Junkets und Premieren, da wurden keine deutschen Teams rangelassen. Da dachte ich mir: was die können, können wir auch, obendrein besser und günstiger, weil keine Reisekosten anfallen! Da mich die Verleiher kannten und mir vertrauten, haben sie mir tatsächlich gleich eine Chance gegeben. Dafür bin ich bis heute dankbar!

Wie gelingt es Ihnen, technologisch immer Schrittzuhalten? 

Claudia Lehmann: Ich habe eine relativ große Technikabteilung mit ExpertInnen für Livestreams, für Medientechnik und IT, dazu Cutter und Kameraleute, die alle immer top informiert sind, sich fortbilden, auf Messen fahren, den Markt sondieren und natürlich auch KI im Blick haben. Es ist gut, dass nicht ich allein dafür verantwortlich bin, sondern tolle KollegInnen, die sich eindeutig besser damit auskennen. Während der Coronazeit haben wir ein kleines virtuelles Studio in unser Büro eingebaut und einen Regieraum mit vielen Monitoren, aus dem heraus wir die internationalen virtuellen Junkets steuern. Es ist schon irre, wie sich die Technik im Lauf der Jahre weiterentwickelt hat. Von sperrigen Beta-Kassetten, mit denen wir gestartet sind und die man zur Verschickung in riesige Kartons packen musste, bis hin zu kleinen Datenkarten und Links, die man online verschickt. Auch die Kameras waren früher riesig und sperrig und schwer auf der Schulter der armen Kameraleute. Heute ist alles viel smarter, günstiger, besser, und easy zu bedienen. Ich bin froh über den technischen Fortschritt, niemand wünscht sich das Faxgerät zurück.

Claudia Lehmann mit Jennifer Lawrence bei der „Passengers”-PK (Credit: Ingo Becker)

Gab es auch mal schwierige Zeiten für Maz & Movie?

Claudia Lehmann: Der Autorenstreik 2010 in Hollywood hat uns damals ganz schön gebeutelt. Das waren ja „nur“ drei Monate, daher hatten wir das total unterschätzt. Mit Verzögerung kam dann eine totale Delle, es gab kaum Premieren, keine Junkets, keine PKs. Wir hatten damals noch wenig andere Ausweichmöglichkeiten, waren nicht so breit aufgestellt. Im Zuge dessen musste ich meine Mitarbeitenden dann ein paar Monate in Kurzarbeit schicken. Das war mir eine Lehre. Als sich diesmal die Autoren- und Schauspielerstreiks ankündigten, hatte ich schon ein paar schlaflose Nächte. Zum Glück konnten wir alles gut auffangen, weil wir mittlerweile auch außerhalb der Filmbranche tätig sind und diesmal alle besser vorbereitet ihre Filmstarts platziert hatten. Das große Auftragsloch blieb glücklicherweise aus. 

Was wünschen Sie sich zum 25. Firmenjubiläum?

Claudia Lehmann: Ein Herzensanliegen ist mir die Berlinale. Sie war damals der Haupt-Auslöser, warum ich mit der Firma von Köln nach Berlin umgezogen bin. Wir hatten ein paar Jahre lang für Arte eine Sendung von der Berlinale produziert und ich merkte, dass sich die Filmbranche immer mehr nach Berlin verlagerte. Ich würde mir wahnsinnig wünschen, dass die Berlinale nun einen guten Neustart macht mit Tricia Tuttle, von der ich jetzt schon Fan bin. Ich stehe sehr gerne mit Rat und Tat unterstützend zur Seite, weil ich mir wirklich eine wiedererstarkte Berlinale wünsche. Das Festival soll wieder den Stellenwert erreichen, den es auch verdient hat. Außerdem freue ich mich auf viele weitere tolle Jahre mit meinem traumhaften Team, von dem ich stellvertretend für alle meine großartige Ko-Geschäftsführerin, Kati Bochmann, herausheben möchte, die einfach mein Fels in der Brandung ist!

Das Gespräch führten Barbara Schuster und Thomas Schultze.