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Dietlind Linn Rott über Evergreen Prisma: „Das poetische Modell“

Evergreen Prisma, das Kompetenzzentrum für Green Filming der Lower Austrian Film Commission (LAFC), führt seit Jahren federführend in Richtung grüne Transformation der (inter-)nationalen Filmbranche. Es ist zu einer europäischen Leuchtturminstitution geworden. Wir befragten LAFC-Leiterin Dietlind Linn Rott dazu.

Film Commissioner & Green Filming Expert Dietlind Rott von der Lower Austrian Film Commission (Credit: Gregor Lechner)

Mit Ihrem Evergreen Prisma ist die LAFC Vorreiterin bei der vorausschauenden Weiterentwicklung von professionellem Green Filming. Wo steht das Angebot im Jahr 2024?

Dietlind Linn Rott: Evergreen Prisma als international tätiges Kompetenzzentrum für Green Filming verbindet vielseitige Wissensvermittlung mit einem äußerst praxisbezogenen, digitalen Instrumentarium. Darüber hinaus zeichnet unsere Herangehensweise ein stark strategisches Vorgehen für die Etablierung von Green Filming aus. Weiterhin stehen wir auch für einen ganzheitlichen Ansatz in unserer Vermittlungsarbeit, den es für alle klimarelevanten Aspekte braucht, um sie in ihrer Wechselwirkung zu verstehen. Gerade diese Bezugssysteme der Klimathemen können überfordernd wirken, daher versuchen wir, die filmspezifische Brücke zu bilden zwischen diesen Zusammenhängen und der umsetzbaren, professionellen und individuellen Gestaltungsmöglichkeit. Das große Echo bestärkt uns in unserem Tun: Seit 2020 gab es aus 122 Ländern über 800.000 Seitenaufrufe auf unserer zweisprachigen, digitalen Plattform lafc.at. Unser gesamter, digitaler Service unterstützt auf proaktive Weise die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Sinne des Green Filming.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Dietlind Linn Rott: Mit dem Evergreen Icon haben wir 2020 ein Qualitätszeichen geschaffen. Eingebettet in alle Datenbankbereiche der Film Commission dient es auch als Filteroption von Nachhaltigkeitsaspekten. Durch die Markierung mit dem Evergreen Icon werden entsprechend definierte Kriterien von Locations, Facilities, Crew und Projekten für Filmschaffende hervorgehoben und für die gezielte Suche filterbar gemacht – damit stärken wir ganz gezielt die praktische Umsetzung grüner Filmproduktion. Aktuell verknüpfen wir alle digitalen Bereiche unseres Service noch mehr miteinander bzw. bauen sie weiter aus. In Kürze stellen wir auch ganz neue Features online, etwa den Bereich „Topicals“, in denen sich Informationen zu Themen finden, die uns in unserer Arbeit immer wieder begegnen – Informationen zu Dreharbeiten an sensiblen Orten, Drehen mit Kindern, Fairpay/Fairplay, Arbeiten mit Drohnen u.ä. werden hier zusammengeführt. Wir können nun auch immer mehr Beispiele von grünen Filmprojekten als Best Practice vorstellen, hierzu haben wir eine eigene Rubrik im „Evergreen Panorama“ geschaffen, die zum einen internationale Projekte beinhaltet, zum anderen auch immer mehr Projekte, die von den Green Film Consultants Austria (GFCA) begleitet wurden, die in der Evergreen Prisma Academy ausgebildet wurden – wie die mittlerweile mehrfach prämierten Filme „The Village Next to Paradise“ von Mo Harawe mit Green Film Consultant Vassili Firsov, „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“ von Adrian Goiginger mit Green Film Consultants David Stöllinger und Peter Wildling oder „Pfau- Bin ich echt?“ von Bernhard Wenger mit Green Film Consultant Antonia Bernkopf, ein Film, der erst kürzlich in Venedig Premiere hatte und zweifach ausgezeichnet wurde.

„Green Filming ist ein besonders transgenerational ausgerichtetes Arbeitsumfeld.“

An was arbeiten Sie noch?

Dietlind Linn Rott: Dieses Jahr arbeiten wir an einem umfangreichen Update des filmspezifischen, nationalen CO2-Rechners. Neben den jährlich aktuell hinterlegten österreichspezifischen Faktoren werden ganz neue Features eingebettet und bisherige optimiert, um etwa die Kommunikation der Consultants mit Institutionen wie dem Österreichischen Filminstitut bzw. die Dokumentationspraxis der Green Film Consultants zu verbessern. Insgesamt bauen wir den Rechner, der auch in Deutschland, der Schweiz und Südtirol als das professionelle Standardinstrument etabliert ist, damit jetzt noch stärker zum gemeinsamen Brückeninstrument aus.

Was passiert in der Evergreen Prisma Academy?

Dietlind Linn Rott: Die Evergreen Prisma Academy bietet seit 2019 zahlreiche Vermittlungsformate an, die seither inhaltlich stets überarbeitet oder im Rahmen von Pilotprojekten von Evergreen Prisma neu entwickelt werden. Durch meine Vortragstätigkeit und spezielles Mentoring im Rahmen von Evergreen Prisma fördern wir weiterhin auch die Etablierung von nachhaltigem Filmschaffen in zahlreichen europäischen Ländern, darunter etwa in Griechenland, den Niederlanden, Dänemark, Polen, Tschechien, der Schweiz und Serbien. Seit 2021 konnte ich auch mehrere Kreativlabore für Nachwuchstalente realisieren, dieser Nachwuchs-Fokus wurde seit 2023 zudem noch verstärkt. Green Filming ist ja ein besonders transgenerational ausgerichtetes Arbeitsfeld, da es im besten Fall einander gut ergänzende Kräfte – Erfahrung und Innovation – vereint. Und diese Verbindung brauchen wir, um die grüne Transformation in der Kreativbranche wirksam und in möglichst kurzer Zeit umzusetzen. Neuerdings verbindet uns vor diesem Hintergrund auch eine Kooperation mit der Abteilung Talents & Training des Österreichische Filminstituts, die sich gezielt der Nachwuchsförderung widmet.

Evergreen Prisma strahlt auch international aus, ist auf Festivals und hat schon selbst Preise gewonnen. Welche Wirkung hat das auf die grüne Transformation der Filmlandschaft?

Dietlind Linn Rott: Wir freuen uns sehr über die zahlreichen Auszeichnungen und Nominierungen als Anerkennung unserer Arbeit – ebenso wie über die vielen Green-Filming-Projekte, die mittlerweile die rund 80 Fachkräfte begleiten, die wir in der Evergreen Prisma Academy zu Green Film Consultants mit einem Frauenanteil von 65 % ausgebildet haben und die wir darin mit unserem bunten Portfolio unterstützen. Die Wichtigkeit der Nachhaltigkeitsagenden in unserer Branche steigert sich von Jahr zu Jahr. Unser professionelles Engagement zeichnet sicher eine besondere Sorgfalt und Weitsicht aus. Als öffentliche Institution folgen wir dem Auftrag von Nachhaltigkeitsagenden möglichst verantwortungsvoll und setzen dafür auch durch unsere überaus kontinuierliche Arbeit ein deutliches Zeichen. Auch auf diesen „langen Atem“ für die stete Weiterentwicklung gründet sich ein wichtiger Teil der Qualität unseres Wirkens, denn nur dadurch können wir vorausschauend arbeiten und Expertise aufbauen. Auch poetische Modelle durften sich mit entfalten, etwa Kreativlabore. Dass der nationale CO2-Rechner für Film & TV seit 2020 durch uns und damit durch eine öffentliche Institution zur Verfügung gestellt wird, zeigt aktuell Signalwirkung in Europa.

Inwiefern hat sich der Run auf Ihr Kompetenzzentrum verändert, seitdem ein Green Bonus an die nationale Filmförderung gekoppelt wurde?

Dietlind Linn Rott: Das Interesse an unserer Arbeit hat sich aus vielerlei Gründen weiter verstärkt. Wir sind mittlerweile zu einer Art Resonanzkörper für nachhaltiges Filmschaffen in Europa geworden. Unser aktuell praktiziertes, österreichisches Synergiemodell für Green Filming & Funding besteht ja aus mindestens fünf Komponenten: Kompetenz durch Wissenstransfer & Instrumente – Professionelle Green Film Consultancy, Projekte, Service – Maßnahmenkatalog & Förderanreize – Verifizierungs-, Inspektions- & Bewertungssystem der ÖFI-Green Filming Abteilung – (inter-)nationales Netzwerk. Alle diese Komponenten wirken miteinander. Seit 2018 bildete Evergreen Prisma zunächst Kooperationspartner:innen und Filmschaffende zum Netzwerk des sogenannten „intelligenten Schwarm“ aus, unterstützte Talente, definierte gemeinsam mit ihnen Rollen und Prozesse. Diese innovativen, sich ergänzenden Strukturen führten zu einem praktikablen, qualitativ hochwertigen Standard. Durch die mehrjährige, solide Zusammenarbeit mit dem ÖFI konnte mit der Novellierung des Österreichischen Filmförderungsgesetzes im Jahr 2023 eine monetäre grüne Filmförderung praktisch aufgesetzt werden und damit der nächste Baustein für nachhaltige Filmproduktion. Ein 5 %iger „Grüner Bonus“ wird vom ÖFI dann gewährt, wenn die qualitätsvollen Kriterien dafür erfüllt werden. Hierzu wurde eine eigene Green Filming Abteilung mit der als GFCA ausgebildeten Expertin Nina Hauser etabliert, die als grundlegendes Instrument der grünen Filmförderung einen Kriterienkatalog und zusammen mit ihrem Kollegen Christian Ruthner entsprechende Prüfprozesse geschaffen hat.

Wie leicht, wie schwer haben es Green Film Consultants in ihrem Beruf?

Dietlind Linn Rott: Das diesjährige Pilotprojekt von Evergreen Prisma ist die Arbeit am ersten Report über professionelle Green Film Consultancy in Europa, der auch die Ergebnisse aus einer fragebogenbasierte Umfrage unter den Green Film Consultants Austria, die in der Evergreen Prisma Academy seit 2021 ausgebildet wurden, beinhaltet. Die Arbeitsrealität ihrer Tätigkeit, grundlegende Erfordernisse, ihre Arbeitsphasen, Arbeitsbedingungen ebenso wie ihre Arbeitsbedürfnisse sollen in dieser Publikation systematisch beleuchtet werden. In ihrem Alltag spiegeln sich auch Themen wie Fairpay, Compliance und Vereinbarkeit, die Zusammenhänge wollen wir für die Branche sichtbarer machen und damit notwendige Verbesserungen für diesen, für eine wirksame Transformation der Filmbranche wesentlichen Beruf anstoßen.

Die Fragen stellte Barbara Schuster

Evergreen Prisma

Das Kompetenzzentrum für Green Filming EVERGREEN PRISMA führt seit Jahren federführend in Richtung grüne Transformation der (inter-)nationalen Filmbranche. Es ist zu einer europäischen Leuchtturminstitution geworden, die die zweite Säule der innovativen, niederösterreichischen Film Commission LAFC bildet. Auf Basis fundierter Expertise für nachhaltiges Filmschaffen legt Evergreen Prisma besonderen Wert auf vielschichtigen und kreativen Wissenstransfer und wurde bereits 2020 mit dem internationalen Makers & Shakers Award als „Film Commission Initiative of the Year“ und 2021 mit dem Europäischen Kulturmarken-Award für Nachhaltigkeit im Kulturmarkt ausgezeichnet. Film Commissioner und Green Filming Expertin Dietlind Rott wurde 2022 mit dem Liese-Prokop-Frauenpreis geehrt. 2023 und 2024 war EVERGREEN PRISMA LAFC für die Global Production Awards, die beim internationalen Filmfestival in Cannes vergeben werden, in den Kategorien „Sustainability Initiative Award“ und „Physical Production Innovation Award“ nominiert. Das bunte Portfolio von Evergreen Prisma beinhaltet eine innovative, digitale Wissensplattform ebenso wie ein praxisnahes Vermittlungsprogramm, das Weiterbildungen für Filmschaffende und den Filmnachwuchs sowie die international anerkannte Ausbildung zum neuen Filmberuf Green Film Consultant Austria (GFCA) umfasst. Bis dato konnten rund 80 GFCA mit einer Frauenrate von 65% ausgebildet werden. Als Instrument für die Praxis stellt EVERGREEN PRISMA LAFC als öffentliche Institution seit 2020 auch den filmspezifischen CO2-Rechner für Film & TV in Österreich zur Verfügung.

Die LAFC führt eine multifunktionale Online-Datenbank mit potentiellen Drehorten, Crewmitgliedern, filmrelevanten Dienstleistenden und einem Projektspiegel sowie innovativen Möglichkeiten der Sucheingabe auf ihrer zweisprachigen Website www.lafc.at. Alle Datenbankbereiche werden laufend mit neuen Einträgen sowie Motiv- bzw. Projektfotos erweitert. Der Filmservice der LAFC steht kostenfrei zur Verfügung. Im viel genutzten Location Guide finden sich über 1.200 Motive. Der Production Guide enthält rund 500 Einträge und ermöglicht Filmschaffenden einen unkomplizierten Zugriff auf die Kontakte von Crews und Facilities in Niederösterreich. Weit über 50.000 Fotos sind über die umfangreichen Guides der LAFC für inter(-nationale) Filmschaffende frei zugänglich. Aktuell werden über 600 Projekte im Project Guide, der das ganze Spektrum von Filmprojekten bis hin zum Experimentalfilm und zunehmend auch Green Filming Produktionen beinhaltet, präsentiert.