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REVIEW TV: „Bad Influencer“

Schnelle Serie über eine junge Frau, die einem Pick-Up-Artist ins Netz geht und ungewollt Influencerin wird.

„Bad Influencer“ mit Lia von Blarer (Credit: SWR/Maor Waisburd)

CREDITS: 
Regie: Lilli Tautfest, Melanie Waelde; Drehbuch: Lilli Tautfest, Anika Soisson; Cast: Lia von Blarer, Salome Kießling, Lukas T. Sperber, Nils Hohenhövel u.a.; Besetzung: Kristin Diehle; Produktion: Tellux next (Philipp Schall, Alexander Ferwer; Producerin: Tina Lenz), IT MEDIA Medienproduktion; Sender: SWR (Redaktion: Jan Berning); Start: 8. November ARD Mediathek

REVIEW:
Donna (Lia von Blarer) landet mit pascal_picup101 im Bett (Lukas T. Sperber). 1,5 Mio. Follower hat er. Der Sex ist aus Frauenperspektive ziemlich schlecht, für pascal_picup101 ziemlich geil, geht es ihm auch nur darum, seine „Aufreiß-Abenteuer“ als Pick-Up-Artist auf Insta zu dokumentieren und die Frauen im Live-Stream mit Noten zu beurteilen. Donna, als donnawetter96 lächerliche 524 Follower, gibt er eine maue Bewertung. Das findet sie ziemlich scheiße. Rennt ihm hinterher, auf die Straße, schreit ihn an, dass Frauen auch eine Libido hätten und verpasst ihm einen Tritt in den Schritt. Dabei wird sie von Pascals Social-Media-Gehilfe gefilmt und landet damit als „Femi-Fotze“ im Netz. Ihre Follower-Zahl schnellt über Nacht in die Höhe auf über 10.000. Donna will von alldem erst nichts wissen. Getröstet wird sie von ihrer Mitbewohnerin Milou (Salome Kießling), die immer ein offenes Ohr für sie hat und der einzige Ruhepol in der rasanten Geschichte ist. Doch als Donna merkt, dass sie in eine Opferrolle gedrängt wird und auch noch ihren Job als Kellnerin verliert, holt sie zum Gegenschlag aus, kündigt den Kampf gegen alle Sexisten an und verspricht, ehrlich und authentisch als Feministin in einem Monat mehr Follower zu haben als pascal_picup101. Mithilfe ihres Ex-Freundes Rico (Nils Hohenhövel) greift sie unter dem Rebranding angrykilljoyfeminist an.

„Bad Influencer“ mit Lia von Blarer und Lukas T. Sperber (Credit: WR/Maor Waisburd)

Lia von Blarer ist eine Wucht als Hardcore-Feministin oder „Feminfluencerin“ Donna, die ungewollt in den hart umkämpften Influencer-Zirkus eintritt, in dem viel mehr Schein als Sein ist (selbst ein Pic-Up-Artist wie pascal_picup101 lässt mit der Zeit hinter seine harte Insta-Schale blicken), man sich einerseits über den Follower-Zuwachs freut, andererseits mit den vielen Hatern umgehen lernen muss. Auf ihrem Weg „nach oben“ erfährt Donna immer wieder Rückschläge, doch aufgeben gilt nicht. Mitgehangen, mitgefangen. „Bad Influencer“ zeigt satirisch überspitzt eine Welt, in der einzig und allein die Follower-Währung gilt, die regelmäßig über den Köpfen der auftauchenden Insta-Egos wie eine Sprechblase eingeblendet wird. Das ist gar nicht so weit hergeholt, zählen Influencer – oder besser, Creators, wie sie sich mittlerweile lieber nennen – längst als wichtigstes Marketing-Tool, um die Konsummaschinerie am Laufen zu halten. 

„Bad Influencer“ – Salome Kießling und Lia von Blarer (Credit: WR/Maor Waisburd)

Auf dem Seriencamp feierte das 8×20-Minuten-Format seine Premiere. Dahinter stecken Lilli Tautfest und Melanie Waelde, die damit als Regisseurinnen ihr Seriendebüt geben. Die beiden studierten an der KHM in Köln bzw. der dffb in Berlin und legten mit den vielbeachteten „Mama told me not to look into the sun“ bzw. „Nackte Tiere“ ihre Abschlussfilme vor. Tautfest schrieb auch gemeinsam mit Anika Soisson die Drehbücher zu „Bad Influencer“ (Soisson gehört auch zum Writers Room der von Apple TV+ und ZDFneo übernommenen ehemaligen Sky-Serie „Krank Berlin“). Als Vorlage hatten sie das niederländische Original gleichen Titels aus dem Jahr 2019 (Tom van Blommestein, Paul de Vrijer, Timo Ottevanver). Das exzellente junge Ensemble wurde von Casterin Kristin Diehle zusammengestellt. Die gebürtige Schweizerin Lia von Blarer kennt man aus der viel geliebten Joyn-Sadcom „MaPa“ aber auch aus „Eldorado KaDeWe“ von Julia von Heinz und hat in „Bad Influencer“ die Bühne nun ganz für sich. Die Produktionsfirma ist die zur Tellux-Gruppe gehörende Tellux next (Produzenten: Alexander Ferwer & Philipp Schall; Producerin: Tina Lenz), die sich auf Plattformen übergreifende Unterhaltungsprojekte für Film & TV sowie den Online- und Games-Sektor konzentriert. Als Senderpartner ist SWR dabei, der auch eine jüngst eine andere hervorragende Seriencamp-Premiere, „30 Tage Lust“, mitgetragen hat. Ein weiteres binge-worthy Stück für die ARD Mediathek. Not a bad influence. At all.

Barbara Schuster