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Torsten Frehse: Ein „Perfect Match“

Branchenveranstaltungen gibt es wie Sand am Meer. Aber nur wenige, die in ihrer Konzeption deutschlandweit so einzigartig sind wie European Work in Progress und der International Film Distribution Summit in Köln.

Weltweites Know-How in Köln versammelt: Katharina Günther (Plaion Pictures), Enrique Costa (Elastica Films), Olimpia Pont Chafer (IFDS), Andrea Romeo (I Wonder), Hiroko Oda (Flag Pictures), Dorothee Pfistner (IDS), Christina Bentlage (Film- und Medienstiftung), Filmkritiker Oris Aigbokhaevbolo und IFDS-Gründer Torsten Frehse beim letztjährigen International Film Distribution Summit (Credit: International Film Distribution Summit)

Es ist nicht nur die wichtige Förderunterstützung durch die Film- und Medienstiftung NRW, die Torsten Frehse im Gespräch zum European Work in Progress EWiP und dem International Film Distribution Summit IFDS hervorhebt. Sondern gerade auch die Tatsache, wie schnell man sich dort für die Idee eines „Work in Progress“ in Deutschland begeistern konnte. Zum siebten Mal findet EWiP in diesem Jahr statt – und längst ist es die ungleich größere Aufgabe, aus der Vielzahl der Einreichungen (mit rund 230 wurde in diesem Jahr erneut ein Rekord verzeichnet) die Kandidaten für das „Matchmaking“ zwischen Kreativen, Produzenten und Käufern auszuwählen, als Projekte für diese deutschlandweit einzigartige Veranstaltung anzuwerben. Aber von vorne: Was war der Grundgedanke hinter dem 2018 aus der Taufe gehobenen Angebot, das aus dem Rahmenprogramm des Film Festival Cologne nicht mehr wegzudenken ist?

Weitere Informationen zum European Work in Progress Cologne (14. bis 16. Oktober)

Weitere Informationen zum International Film Distribution Summit (15. bis 17. Oktober)

Kurz gesagt: Es war laut Initiator Frehse die Reaktion auf eine Beschleunigung im Markt, auf den Umstand, dass Festivalfilme in zunehmender Frequenz schon kurz nach diesen Gala-Auftritten in den Heimatmärkten ausgewertet wurden. Was für weitere Interessenten oft bedeutete, sie erst auf die Leinwände bringen zu können, wenn sie anderenorts womöglich schon online verfügbar waren. Doch nicht nur dieser Umstand spricht für die Vorteile der frühzeitigen Chance, sich frühzeitig ein Bild machen und gegebenenfalls als Käufer positionieren zu können. Sondern ein solches Vorgehen erlaubt auch andere Wege im Marketing, sorgfältigere Vorbereitung von Kampagnen. Anderenorts – gerade im osteuropäischen Raum – hatte man dies bereits vor geraumer Zeit erkannt und entsprechende Veranstaltungen aufgesetzt, insofern wurde mit EWiP auch eine veritable Lücke geschlossen. Eine, die sich in einer Geschwindigkeit etabliert hat, „die mich beinahe selbst erstaunte“, so Frehse.

Die Stärke der Veranstaltung, an der die wichtigsten potenziellen Käufer aus Reihen von Weltvertrieben, Verleihunternehmen und Festivals partizipieren, zeige sich unterdessen gerade in diesem Jahr. Denn obwohl man in direkter zeitlicher Konkurrenz zu den großen Festivals in London und Rom stehe, sei die Liste der Teilnehmenden nicht weniger hochkarätig besetzt als in den Vorjahren. Dazu habe eine „extrem wichtige“ Entscheidung während der Pandemie beigetragen: Jene, EWiP – natürlich unter strenger Beachtung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen – auch in den Corona-Jahren als physische Veranstaltung durchzuziehen. Kontinuität zu schaffen, Verlässlichkeit zu zeigen und damit gerade in jenen Zeiten das zu bieten, wonach sich jede(r) zutiefst sehnte: den persönlichen Austausch. Der eine besonders zentrale Rolle einnehme. Denn auch abseits der Chance, Interessenten zu finden oder gar einen der Preise zu gewinnen, gehe es den Teilnehmenden insbesondere auch darum, mit wichtigen Stakeholdern auf vertrauensvoller Ebene zu sprechen. „Nicht zwischen Tür und Angel, sondern in Ruhe und fokussiert“, so Frehse.

Was den Erolg zudem befördere: Der Standort Köln und der Rahmen des Film Festival Cologne seien geradezu ein „perfect match“, um Produzenten, Filmschaffende und Käufer zusammenzubringen. Nicht nur wegen der strukturellen Synergien mit dem Festival und der Tatsache, dass die Rheinmetropole als Medienstandort ohnehin eine zentrale Rolle in Deutschland bekleidet. Sondern auch aus einem recht pragmatischen Grund: Köln ist verkehrstechnisch hervorragend angebunden, nicht zuletzt an Paris.

Was sich über EWiP sagen lässt, gilt indes auch weitestgehend für ein ergänzendes und flankierendes Angebot, das 2022 quasi als direkte Reaktion auf die Pandemie aus der Taufe gehoben wurde und der Notwendigkeit entsprang, sich intensiv damit zu beschäftigen, wie sich der Markt verändert hat und welche Antworten es darauf gibt. Dass der International Film Distribution Summit IFDS 2024 in sein drittes Jahr gehen würde, war bei der Erstauflage beileibe nicht abzusehen, „aber es hat sich deutlich gezeigt, dass es erheblichen Bedarf gibt, Filmdistribution nicht nur politisch, nicht nur aus Fördergesichtspunkten zu diskutieren“, so Frehse. Aus gutem Grund: „Die Pandemie ist vorbei, aber wir sind nicht zum Status Quo zurückgekehrt. Um das Publikum effektiv zu erreichen, bedarf es mehr denn je innovativer Instrumente und Maßnahmen. Wir müssen als Verleihunternehmen auch voneinander lernen.“

Letzteres ist ein entscheidender Punkt – und es mag auf den ersten Blick überraschen, wie ausgeprägt die Bereitschaft ist, sich in die Karten schauen zu lassen und „Best Practices“ mit Mitbewerbern zu teilen. Aber die einem solchen Austausch zugrundeliegende Erkenntnis habe sich schlicht in den Köpfen festgesetzt: „Es geht darum, ein ganzes Marktsegment zu stärken, nicht nur einzelne Player – und im Rahmen dieses offenen Austauschs, dieses Marktplatzes der Ideen, profitieren am Ende alle, die die Bereitschaft zeigen, Anregungen zu adaptieren, neue Ideen zu entwickeln und diese dann wiederum selbst zu teilen“, führt Frehse aus. Was umso wichtiger sei, als die Pandemie zwar der „größte denkbare Einschlag“ war. Aber einer, dem weitere folgten, nicht zuletzt die letztjährigen Streiks. Und was tatsächlich auch aus Verleihsicht mehr und mehr in den Fokus rücken müsse, so Frehse, sei der Klimawandel. Denn es definiere sich zusehends neu, welche Zeiträume als potenziell starke Kinozeiträume gesehen werden dürften oder wie Open Air funktioniere. Generell gelte: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Märkte veränderten, sei gestiegen. Was übrigens auch (bedauerliche) Rückschritte beinhalte – so würden einzelne Streamer etwa schon wieder das Ausmaß ihres Kinoengagements überdenken.

Ob es eine Klammer gebe, unter die man das diesjährige IFDS-Programm ziehen könne? Keine absolute, schließlich sei das Feld möglicher Maßnahmen breit. Aber in jedem Fall würden diesmal besonders viele Projekte aus dem B2C-Bereich vorgestellt; Maßnahmen also, die einer besseren Kommunikation mit den Endverbrauchern dienen. Die Jugend nimmt dabei eine besondere Rolle ein, stellt aber keineswegs den ausschließlichen Fokus dar. Schließlich gilt für Zielgruppen, was auch für die Filme selbst gilt: Vielfalt ist entscheidend.