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REVIEW KINO: „13 Steps – Die unglaubliche Karriere des Edwin Moses“

Packender Dokumentarfilm über den Ausnahmesportler Edwin Moses. 

CREDITS: 
O-Titel: MOSES – 13 Steps; Land/Jahr: Deutschland/USA 2024; Laufzeit: 105 Minuten; Regie: Michael Wech; Verleih: Majestic; Start: 5. Dezember 2024

REVIEW:
Spike Lee ist ein Fan: Die ansteckende Begeisterung, mit der der großartige Storyteller und Oscar-Preisträger die Leistungen seines „Bruders“ Edwin Moses kommentiert, bestimmt den inspirierenden Ton des Films, der mit einer heldenhaften Geschichte beginnt, wie sie Hollywood nicht spannender erzählen könnte. Ein nerdiger Physikstudent erforscht, wie man als Hürdenläufer „schnellstmöglich von Punkt A zu Punkt B gelangt, während man über C, D, E, F und G springt, so schnell man kann“. Unter Berücksichtigung der Zeit, die für Smalltalk beim Aufwärmen zur Verfügung steht (keine Sekunde), und aller möglichen Fehlerquellen vor und während eines Rennens betritt Edwin Moses 1976 die Bühne des Sports, als ginge es nicht um die härteste Disziplin der Leichtathletik, sondern um Raketenwissenschaft, als wäre sein Ziel weniger der Olympiasieg als die Beweisführung seiner Formel. Mit seinem ersten Sprung auf das Podest bei den Sommerspielen in Montreal wird er zum „Mann, der durchgehend 13 Schritte läuft“ und der innerhalb nur eines Jahres die Welt verändern wird.

„13 Steps – Die unglaublichen Karriere von Edwin Moses“ (Credit: Majestic)

Neun Jahre, neun Monate und neun Tage lang bleibt Moses im 400-Meter-Hürdenlauf ungeschlagen, ein Rekord, der vielleicht nie gebrochen wird. Die märchenhafte Serie von 122 aufeinanderfolgen Siegen ist der roten Faden, den Regisseur Michael Wech, der bereits mit „Schumacher“ und „Boris Becker – Der Spieler“ Sportgrößen porträtierte, mit zentralen Momenten der Weltgeschichte verknüpft – zu einer Hommage an einen Mann, dessen Triumphe gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wandel auslösten und der für Generationen zum Vorbild im Kampf gegen Drogen und Rassismus wurde. „13 Steps“ ist ein weiteres maßgeschneidertes Prestigeprojekt der Kölner Boutique-Dokumentarfilmproduktion Broadview Pictures, ausgeführt von Morgan Freemans und Lori McCrearys Revelations Entertainment. Neben Wegbegleitern wie Spike Lee und Samuel L. Jackson versammelt der Film prominente Wissenschaftler, Sportanwälte und ein Who-Is-Who von Olympioniken vor der Kamera, die Moses die Ehre zu erweisen. Der heute 69-Jährige führt die Zuschauer an die Orte, die ihn geprägt haben. Begleitet von einem tollen jazzigen Soundtrack dokumentieren Homemovies im Super-8-Look seine Kindheit in Ohio im Amerika der Rassentrennung, Fotografien und Archivmaterial die Jahre am renommierten, historisch afroamerikanischen Morehouse College in Atlanta, seine anschließende Tätigkeit als Ingenieur und – tatsächlich – Raketenforscher, bevor er (O-Ton), zum „gierigen Athleten“ wird, der nach seinem ersten, bahnbrechenden Medaillengewinn schnell erkennt, dass sich mit Sport Geld verdienen lässt.

Edwin Moses und Julian Moses in „13 Steps – Die unglaublichen Karriere von Edwin Moses“ (Credit: Majestic)

Er treibt Preisgelder in die Höhe und drängt darauf, dass der Amateurstatus von Olympiateilnehmern neu bewertet wird. Im Zuge des Skandals um den kanadischen Sprinter Ben Johnson bei der Olympiade 1988, dem „Urknall der Dopingbekämpfung“, der ausführlich geschildert wird, entwickelt sich der eigentlich schüchterne und introvertierte Moses zum „Big Mouth“: Er setzt sich lautstark für schärfere Kontrollen ein, riskiert dabei sogar seine eigene Zulassung. Die Erkenntnis, fundamentale Probleme aus eigener Kraft, mit unbeugsamem Willen lösen zu können, verändert seine Geisteshaltung, die der Film von allen Seiten beleuchtet. Trotz der sehr persönlichen Einblicke in dessen Gedanken und Herausforderungen bleibt „13 Steps“ stets in respektvoller Distanz zu dem ewigen Champion, der sich auch gegen Verleumdung und Angriffe der Presse wehren muss, etwa, als er 1985 wegen des Verdachts der Anwerbung einer Prostituierten auf dem Sunset Strip verhaftet wird. Seinen Kampf für Gerechtigkeit und Fairness, die Überwindung von Hass und Diskriminierung setzt er bis heute fort – nicht zuletzt als Mitbegründer der Laureus Sport For Good Foundation, deren Vision Nelson Mandela bei der erstmaligen Preisverleihung der Stiftung im Jahr 2000 mit den berühmten Worten zusammenfasste: „Sport hat die Kraft die Welt zu verändern.“ Das beweist die unglaubliche Karriere von Edwin Moses, und das beweist auch der sehr sehenswerte Film von Michael Wech.

Corinna Götz