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REVIEW FILMFEST HAMBURG: „Googoosh – Made of Fire“

Mit „Googoosh – Made of Fire“ ist Niloufar Taghizadeh ein eindringliches Porträt über die iranische Popsängerin und Schauspielikone gelungen. Deutschlandpremiere feierte es auf dem 32. Filmfest Hamburg. Lesen Sie hier unsere Besprechung.

CREDITS: 
Land: Deutschland; Jahr: 2024; Laufzeit: 94 min; Regie & Drehbuch & Produktion: Niloufar Taghizadeh; Darsteller*innen: Faegheh Atashin (Googoosh); Verleih: mindjazz pictures; Kinostart: 10. Oktober 2024

REVIEW:
2024 ist die deutsch-iranische Filmemacherin und Produzentin Niloufar Taghizadeh mit gleich zwei Dokumentarfilmen präsent. Neben „Nilas Traum im Garten Eden“, den sie nicht nur inszenierte und produzierte, sondern bei dem sie sogar für die Bildgestaltung verantwortlich zeichnete, ist dies das Künstlerinnen-Porträt „Googoosh – Made of Fire“ über die erste iranische Popsängerin und Schauspielikone, die mit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 zum Schweigen gezwungen wurde. Als Erzählerin der Geschichte hat Taghizadeh die Protagonistin selbst gewinnen können, Faegheh Atashin, wie Googoosh bürgerlich heißt. Es ist ein mitreißendes Dokument iranischer Zeitgeschichte, eine facettenreiche Zeichnung von „Irans Tochter“, wie sie auch genannt wird, als Sinnbild für das unablässige Streben nach Freiheit und für die zum Verstummen gebrachten Stimmen der iranischen Frauen. Für den Film besuchte Taghizadeh die Künstlerin sowohl in ihrem Haus in Los Angeles, konnte aber auch während einiger Konzerte in Deutschland dabei sein, die sie im Rahmen ihrer letzten Welttournee gab, und die genau in die Zeit fielen, als die Frauenbewegung Woman, Life, Freedom in Iran mit dem Tod von Jina Mahsa Amini losgetreten wurde. Dies verleiht der Geschichte eine noch größere Brisanz und Dringlichkeit als Appell und Aufruf zur Solidarität aller Frauen in Iran. 

Von der Gegenwart, in der u.a. gezeigt wird, wie Googoosh mit engen Mitstreitern den Song „Dobareh“ im Andenken an Jina Masha Amini mit anderen iranischen Frauen einstudiert, sie in ihrer Wahlheimat L.A. auf Protestkundgebungen für ein freies Iran spricht, und sie in ihrem Zuhause für den Film interviewt wird, springt der Film immer wieder in die Vergangenheit. Anhand von Archivmaterial, Videos und Fotos aus dem Familienalbum wird man als Zuschauer in eine zunächst sehr glückliche Zeit in Iran entführt. Das Bühnengen hat Googoosh von ihrem Vater geerbt, der als Akrobat viel durchs Land zog und seine kleine Tochter stets mitnahm (Side fact: Der Name „Googoosh“, den sie vom Vater erhielt, ist übrigens ein armenischer Männername und durfte deshalb nicht in die Geburtsurkunde eingetragen werden. Fürs Papier einige man sich deshalb auf Faegheh). Bereits als Dreijährige stellte er sie hinters Mikro, weil er ihr Gesangstalent erkannte. Schnell entwickelte sich ihre Karriere als Kinderdarstellerin in Filmproduktionen und Sängerin. Der Shah ließ sie bei Festen in seinem Palast auftreten. Wie sie selbst erzählt, fühlte sie sich nur auf der Bühne und vor der Kamera wirklich glücklich, denn zuhause wartete die alle Klischees erfüllende böse Stiefmutter. Sang sie zunächst traditionell geprägte Lieder, von damals bekannten iranischen Sängerinnen wie Pouran nach, wurde alles anders, als Viguen Derderian aufstieg. Als westlich orientierter Musiker, der dem Pop in Iran den Weg bereitete, war er ein totales Novum. Fortan schlug auch Googoosh diese Richtung ein, entdeckte als Teenagerin auf einer Reise nach England und Amerika auch noch die Musik der Jackson 5 und von Shirley Bassey und hat so als erste Frau in Iran den Pop erobert. 

„Googoosh – Made of Fire“ von Niloufar Taghizadeh (Credit: Mindjazz Pictures)

In das Oeuvre von Niloufar Taghizadeh reiht sich „Googoosh – Made of Fire“ nahtlos ein, denn immer wieder befasst sie sich mit Topics wie Menschenrechte, mit besonderem Blick auf Frauen- und Kinderrechte, Unterdrückung in jeder Form. Auch Googoosh erfuhr Unterdrückung jeglicher Form und jeglichen Auswuchses. Vom auf den ersten Blick wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht wirkenden Traum um eine Frau, die auf der Bühne und vor der Kamera Erfolge feierte, verehrt wurde und lange vor Madonna und Beyoncé riesige Hallen füllte, hin zu einer von patriarchalen geprägten Strukturen geprägten Realität, mit einem Vater, der die Karriere seines Kindes steuert über unglückliche Ehen zu für Frauen gnadenlosen Scheidungsauflagen (sie verlor jegliches Recht an ihrem Sohn) hin zur Islamischen Revolution, die das Land zurückwarf in eine stickige religiöse Atmosphäre, die keine Luft zum Atmen ließ. Was Googoosh nicht davon abhielt, trotz Warnungen vieler Freunde wieder in ihre Heimat zurückzukehren, wo sie 21 Jahre lang in Isolation mit Arbeitsverbot leben musste – alle ihre Lieder wurden als „Haram“ abgestempelt. Nachdem ihr im Jahr 2000 die Ausreise gelang, startete sie wieder als Sängerin durch und spielt seither in Kanada, den USA und Europa vor ausverkauften Hallen. Ihre Stimme sei ihr Widerstand, mit ihrer Stimme nehme sie am Aufstand teil, sagt sie einmal

Die Aufarbeitung der Geschichte (der Frauen) Irans ist Taghizadeh eine Herzensangelegenheit, als jemand, der 1978, als Kind der Islamischen Revolution in Iran geboren wurde, während der mit einem Schlag zahlreiche Kunstschaffende mundtot gemacht wurden, und selbst als Künstlerin arbeitet. Für Taghizadeh wie für Googoosh geht es darum, seine freie Stimme als Frau, als Mensch zu verteidigen. Mit Inbrunst. Der französische Filmtitel trifft es: „Le feu est ma nature“. Möge das Feuer nie erlöschen.

Barbara Schuster