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Zum Tod von Christian Berg

Die Nachricht überschattete die Eröffnung der Filmkunstmesse Leipzig: Mit Christian Berg verlor das Kino einen seiner leidenschaftlichsten Unterstützer. Knut Elstermann nimmt im Namen einer dankbaren Branche Abschied.

Christian Berg (Credit: Medienboard Berlin-Brandenburg)

Christian Berg hatte sich offiziell schon von seiner Arbeit als Kino-Beauftragter der Medienboard Berlin-Brandenburg, wo er ab 2002 gearbeitet hatte, zurückgezogen, doch er war noch immer sehr präsent. Viele Leute erwarteten auch im Rentenalter Rat und Tat von ihm. Sein Wissen über Kinos, über Programmgestaltung, über die künstlerische, die wirtschaftliche und die technische Seite des Filmtheater-Betriebs war so umfassend, dass er einfach unverzichtbar erschien. Auch darum macht sein Tod die Kolleginnen und Kollegen, uns alle, fassungslos, weil er so intensiv und rückhaltlos für uns da war. Der große, mächtige Mann schenkte jedem den Eindruck, einzigartig und wichtig zu sein. Bei ihm konnte man sich ausweinen und wurde wieder aufgebaut, er verströmte das Gefühl absoluter Sicherheit. Christian wuchs mit drei Geschwistern in einem Pastorenhaushalt auf, das soziale Gewissen, das tiefe Verständnis für die Bedürfnisse anderer mag ein Erbe seiner christlichen Erzieherin gewesen sein. 

Viele Kinobetreiber, mit denen ich in den letzten Tagen sprach, haben von ihm unendlich viel über das Handwerk gelernt. Niemand kann sich vorstellen, dass er plötzlich nicht mehr da ist. Dabei machte er nie viel Aufhebens von sich. Erst jetzt, beim Nachlesen über ihn, habe ich verstanden, woher diese erstaunliche Kompetenz kam. Der 1955 in Eutin geborene Christian, der Germanistik und Evangelische Religion für das Lehramt studiert hatte, war mit allen Wassern der Filmwirtschaft gewaschen. Er war im Jugendfilmclub, startete in den 80er Jahren sein eigenes Beratungsunternehmen als „Doktor Kino“, er war Kinoleiter, Organisationschef des 41. Mannheimer Filmfestivals, war als Geschäftsführer im Verleih tätig, in der Presse-und Marketingarbeit, gab Seminare, hielt Vorträge. Ihm konnte man nichts vormachen, das spürte jeder.  

Christian kannte in der Region Berlin-Brandenburg jedes Programmkino, er war ständig unterwegs und besuchte seine geliebten Kinoleute. Ihm war buchstäblich kein Weg zu weit, kein Kino zu klein. Über viele Jahre durfte ich mit ihm den Kinoprogramm-Preis gestalten. Seine kleinen Texte zu jedem Kino waren Kult, Meisterwerke des Lobs, das aus genauer Kenntnis kam, aber auch väterliche Ermahnung waren, diesen und jenen Aspekt der Arbeit in Zukunft noch stärker zu beachten, zum Beispiel Kinderkino oder Seniorenvorstellungen, selbst die Gestaltung des Tresens entging seinem scharfen Auge nicht. Wie liebte ich es, diese geschliffenen, pointierten Worte zu verlesen, die nichts Belehrendes hatten, sondern immer eine augenzwinkernde Zuwendung zeigten, ganz wie es seinem Wesen entsprach. Wenn die Branche gut durch die Corona-Krise kam, lag das auch an seinem Engagement im Medienboard, an der Seite der langjährigen „Chefin“, wie er sie immer mit aufrichtigem Respekt nannte, Kirsten Niehuus, für die er einer der wichtigsten Mitarbeiter war. 

Er verband auf unnachahmliche Weise Autorität, Fleiß und Wissen mit seinem trockenen, norddeutschen Humor. Er machte lieber zu wenige Worte als zu viele, aber was er sagte, das hatte immer Hand und Fuß. Wir werden vielleicht in den nächsten Monaten erst ganz verstehen, wie unersetzlich der Verlust dieses großen Kinomannes und wunderbaren Menschen für uns ist. 

Knut Elstermann