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Nikolaus Leytner: „Es ist etwas Besonderes, dort zu arbeiten, wo man sich in das Kino und den Film verliebt hat“

Für Nikolaus Leytner ist die neue Krimireihe „Trost und Rath“ ein besonderes Projekt: Sie ist seine erste Arbeit für ServusTV und spielt zudem in seiner Geburtsstadt Graz. Wir sprachen mit dem österreichischen Filmemacher über das Tolle am horizontalen Erzählen, den ambitionierten Mix aus Krimi und Charakteren, die berühren, und warum es Leute in seinem Alter nicht leicht haben. 

(v.l.) Dominik Warta, Nikolaus Leytner, Michael Ostrowski, Jakob Pochlatko und Robert Preis bei der Präsentation von „Trost und Rath – Tanz mit dem Teufel“ im Votiv Kino in Wien (Credit: ServusTV / Florian Wieser)

Herr Leytner, Sie sind gebürtiger Grazer. Ist es für Sie eine Besonderheit, mit „Trost und Rath“ nun eine Krimireihe zu drehen, die in Ihrer Heimatstadt spielt, bei der vor allem die Schauplätze – neben der Stadt auch das Grazer Umland – richtig zur Geltung kommen dürfen?

Nikolaus Leytner: Ja natürlich. Als mich ServusTV und Produzent Jakob Pochlatko von EPO-Film gefragt haben, ob ich das machen will, habe ich aufgrund dessen nicht lange gezögert. Ich bin in Graz aufgewachsen, später zum Studium nach Wien gegangen. Trotz der vielen Filme, die ich inzwischen machen durfte, habe ich fast überall in Österreich und im Ausland, aber nie in Graz gedreht. „Trost und Rath“ beschert mir nun eine vergleichsweise späte Rückkehr. Das freut mich schon sehr. Es ist etwas Besonderes, dort arbeiten zu können, wo man groß geworden ist, wo man sich in das Kino und den Film verliebt hat. 

„Trost und Rath“ ist „urgrazerisch“, denn nicht nur Sie sind als Grazer involviert, auch die Produzenten, Jakob und Dieter Pochlatko, stammen von dort. Hauptdarsteller Michael Ostrowski ist in der Steiermark aufgewachsen und hat in Graz studiert. Außerdem ist Graz auch die Geburtsstadt von Autor Robert Preis, der die Krimivorlagen schreibt, die natürlich in Graz und Umland spielen. Waren Sie eigentlich vertraut mit diesen Krimis?

Nikolaus Leytner: Nein. Sowohl im Fernsehen als auch auf dem Buchmarkt gibt es ja einen unglaublichen, nicht abreißenden Krimiboom. Da gibt es Geschichten auf Unterschiedlichstem Niveau. Ich lese sehr gerne und viel, aber Krimis eigentlich überhaupt nicht. Im Fernsehen und Streaming schaue ich mir Krimis berufsbedingt natürlich an. Wenn man in dieser Branche ist, kommt man an Formaten wie dem „Tatort“ nicht vorbei. Ich habe auch selbst schon mehrere Krimis inszeniert, da ist es notwendig, sich zu informieren, was und wie alles gemacht wird.

„Wir wollten den Film nicht so düster machen wie die Romane.“

Sie sprachen das Überangebot an Krimis an, im Buchmarkt, aber auch im Fernsehen. Sie haben ihre Krimi-Handschrift poliert beim „Tatort“ oder den „Landkrimis“. Durch was hebt sich „Trost und Rath“ ab? 

Nikolaus Leytner: Robert Preis rückt in seinen Romanen immer eine mystische, sagenumwobene Geschichte aus der Vergangenheit ins Zentrum des Plots. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. Für die Verfilmung war mir – wie auch Michael Ostrowski – sehr wichtig, ein bisschen Humor hineinzubringen. Wir wollten den Film nicht so düster machen wie die Romane, sondern strebten eine Mischung an, weil das einfach auch mehr dem Leben entspricht. Aber genau das ist nicht so einfach. Krimis sind unter anderem deshalb so beliebt, weil man mit den Ermittlern miträtselt, wer der Mörder war. Wenn das gut gemacht ist, hat man schon mal die nötige Spannung. Das zweite ist, dass man Krimis auch gerne zur Verhandlung gesellschaftspolitischer Themen verwendet. Im Falle der Romane von Robert Preis ist das der mythologische Hintergrund. Da noch Humor zu integrieren, ohne das er den Krimi-Plot stört, ist schon eine Herausforderung.

Nikolaus Leytner beim Presseevent von „Trost und Rath“ im Votiv Kino in Wien (ServusTV / Florian Wieser)

Armin Trost ist Ihre Hauptfigur. Durch was zeichnet er sich aus?

Nikolaus Leytner: Unser Armin Trost ist ein anderer als in den Romanen. Das hat stark mit Michael Ostrowski zu tun, was er ausstrahlt und anbietet. Mit ihm haben wir versucht, eine etwas andere Ermittlerfigur zu finden. Im Gegensatz zu sehr vielen Polizisten und Kommissaren in anderen Fernsehkrimis hat unser Armin Trost weder ein Alkohol- oder Drogenproblem noch eine zerstörte Ehe. Er ist eine leicht anarchistische Figur, für die Regeln seiner Vorgesetzten nicht so wichtig sind, sondern die mit Fantasie und Intuition versucht, Fälle zu lösen. Unser Vorhaben, die Spannung auf der einen Seite aufrechtzuerhalten beziehungsweise in der Erzählung zu forcieren und auf der anderen Seite den Humor zu bedienen, allerdings nicht auf Kosten von jemand, sondern aus Situationen und Figuren heraus generiert, war nicht einfach. Ich finde aber, dass es uns gut gelungen ist. Im zweiten „Trost und Rath“-Film, der schon fertiggestellt ist, sind wir diesen Weg weitergegangen, mit vielleicht noch einem Tick mehr Humor. Trotzdem ist es uns auch immer wichtig, Geschichten und Figuren zu erzählen, die berühren. Das sind Dinge, die mein Ko-Autor Anton Maria Aigner und ich bei der Drehbucharbeit im Fokus haben.

An der Seite von Armin Trost steht Annette Rath. Gibt es diese Figur auch in den Romanen?

Nikolaus Leytner: In den Romanen hat sie einen anderen Nachnamen. Ich habe bei der Suche nach einem Titel herumgespielt, da bin ich auf „Trost und Rath“ gekommen. Also haben wir Armin Trosts Kollegin einfach umbenannt. Die Figur, wie wir sie im Film zeigen, ist relativ ähnlich der im Roman. Annette ist auch bei Robert Preis Deutsche, und natürlich gibt es eine Geschichte dahinter, wie es dazu kam, dass eine Piefke bei der österreichischen Polizei landete. Im dritten Fall, den wir gerade schreiben, wird diese Vorgeschichte erzählt. Das Schöne an der horizontalen Erzählweise ist, dass sich Figuren weiterentwickeln können oder Dinge erst mit der Zeit enthüllt werden. Die Drehbucharbeit ist ein Wechselspiel. Erst schreibt man etwas für einen Schauspieler, den man kennt, in der gemeinsamen Arbeit lernt man dann auch alle anderen besser kennen und sieht, wohin sich das Ganze entwickeln könnte. Das ist spannend. 

Michael Ostrowski und Bea Brocks; die Ausstrahlung erfolgt am 28. September um 20.15h bei ServusTV (Credit: Servus TV / Ricardo Gstrein)

War es Ihre Idee, die Rolle von Armin Trost mit Michael Ostrowski zu besetzen?

Nikolaus Leytner: Nein, Michael war schon auf dem Projekt, weil er von EPO-Film und ServusTV bereits angefragt war. Es war naheliegend, dass die Figur von einem Steirer gespielt werden soll. Den restlichen Cast habe ich dann mitentwickelt und vorgeschlagen. Aber Michi war derjenige, der das Ganze ziehen sollte, was perfekt gelungen ist. Michael ist kein klassischer Schauspieler, weshalb er in manchen Dingen eine andere Herangehensweise hat und es zum Beispiel mag, wenn am Set noch spontan Dinge entwickelt werden. Das bringt ein interessantes Element hinein. Zum Glück stimmt auch die Chemie zwischen ihm und Bea Brocks als Annette Rath. Im ersten Teil hatten sie ja kaum Szenen miteinander. Aber ich kann sagen, dass sie sehr gut miteinander können. Auch wenn man so was im Casting testet – wissen kann man es im Vorfeld nie. Aber hier passt’s.

„Die Zusammenarbeit mit Frank Holderied und Maresa Wendleder kann ich nicht genug loben.“

Teil drei ist bereits in Entwicklung. Schreiben Sie das Drehbuch wieder mit Ihrem Schreibpartner Anton Maria Aigner?

Nikolaus Leytner: Genau. Wir sind mittlerweile in der gemeinsamen Arbeit sehr eingespielt. Ich empfinde es als sehr gut, wenn man zu zweit ist, weil man immer ein erstes Gegenüber schon hat, das man von Ideen und Einfällen überzeugen muss.  Die Kritik ist in dieser Konstellation gleich eingebaut. Außerdem ist es sehr stimulierend, wenn man über ein dramaturgisches Problem, das man lösen muss, reden kann. Da kommt einfach viel mehr raus, als wenn man allein über dem Laptop brütet. 

„Trost und Rath“ ist Ihre erste Arbeit für ServusTV. Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Nikolaus Leytner: Es ist eine durchwegs positive Erfahrung. Die Zusammenarbeit mit Frank Holderied und Maresa Wendleder kann ich nicht genug loben. Sie ist sehr wertschätzend und fachlich einfach gut. Alle Feedbacks, egal ob positiv oder kritisch, hatten immer Hand und Fuß. Manchmal ist es so, dass Redaktionen aus einer gewissen Verunsicherung heraus, nicht immer wissen, in welche Richtung es bei der Stoffentwicklung gehen soll. Einmal heißt es hüh, dann wieder hott. Bei ServusTV ist die Struktur klar, ebenso die Vorgehensweise. Das hat wirklich sehr gut funktioniert.

„Keiner will das finanzieren, wenn alte weiße Männer einen Film über einen alten weißen Mann machen.“

Wie nehmen Sie die Fernsehlandschaft in Österreich generell wahr? 

Nikolaus Leytner: Ich stelle durchaus eine etwas schwierige Situation fest, vor allem in Bezug auf den ORF. Es gibt ja bereits einen dritten Teil meiner oberösterreichischen Landkrimis mit Josef Hader und Maria Hofstätter. Den haben wir bereits 2021 gedreht. Allerdings wurde der immer noch nicht ausgestrahlt, weil das Geld fehlt. Beim ORF ist es so, dass das Budget, das für einen Film ausgegeben wird, buchhalterisch erst im Jahr der Ausstrahlung schlagend wird. Der Film ist zwar bezahlt, das Geld ausgegeben, aber es gilt nicht. Man muss ein ausgeglichenes Budget auch in dem Jahr zusammenbringen, in dem ein Film ausgestrahlt wird. Das trifft aktuell vier oder fünf fertiggestellte Landkrimis, die nicht ausgestrahlt werden können, weil sie das Geld für die Ausstrahlung nicht haben. Ausgelöst wurde das Problem auch durch die Umstellung des ORF auf Haushaltsabgabe. Offensichtlich sind 300.000 Haushalte, die in der Statistik waren, plötzlich abgegangen: Da waren gleich mal ein paar Millionen futsch. Einen Teil haben sie zwar inzwischen wieder aufgetrieben, aber die finanzielle Situation bleibt schwierig. Wie die deutschen Sender steht auch der ORF unter hohem Spardruck. Und am leichtesten und am schnellsten spart man eine Million ein, wenn man ein fiktionales Programm streicht…. 

Was fällt Ihnen sonst noch auf?

Nikolaus Leytner: Ich finde es schade, dass es beim ORF keine Einzelfilme mehr gibt, nurmehr Serien und Reihen. Besondere Filme wie „Die Auslöschung“, „Die lange Welle hinterm Kiel“ oder „Ein halbes Leben“ sind nicht mehr gewollt. Darüberhinaus stelle ich fest, dass ältere männliche Filmschaffende wie ich einfach nicht mehr gefragt sind. Seit meinem letzten Landkrimi habe ich vom ORF keinerlei Anfrage mehr erhalten. Vieles geht an Frauen. Das ist unsere Zeit und es ist auch eine verständliche Reaktion, die da stattfindet. Aber für Filmschaffende wie mich macht es das nicht leicht. 

Wann machen Sie mal wieder Kino?

Nikolaus Leytner: Kino wird immer schwieriger. Man braucht mehr Geld, und für uns Österreicher zumindest ein anderes Koproduktionsland etc… Es gibt ein Projekt, das ist schon eine zeitlang auf dem Weg habe. Mal schauen, was dabei rauskommt… Ich habe auch vor einiger Zeit ein Drehbuch geschrieben nach dem letzten Roman von Martin Walser, „Ein sterbender Mann“. In aller Bescheidenheit sage ich, dass es ein wirklich außergewöhnliches Drehbuch geworden ist, eines meiner besten. Martin Walser brannte sehr für dieses Projekt, genauso Klaus Maria Brandauer, der die Hauptrolle spielen wollte. Aber man findet kaum jemanden mehr, der so etwas finanzieren will. Auch in Deutschland nicht. Keiner will das finanzieren, wenn alte weiße Männer einen Film über einen alten weißen Mann machen. Wir haben da jahrelang gekämpft, es ist aber leider nicht zustande gekommen… Früher war das anders. Ich erinnere mich, wie ich als junger Mann eine Dokumentation über die Dreharbeiten zu einem der letzten Filme von John Huston sah, der zu diesem Zeitpunkt 85 gewesen sein dürfte. Sein Regieassistent war sogar noch drei Jahre älter. Der jüngste am Set war Kameramann Sven Nykvist, der war erst 79… Das fand ich großartig. Huston war im Rollstuhl, der Assistent ist öfter mit der Sauerstoffflasche gekommen. Es war toll zu sehen, was diese alten Männer zu erzählen hatten, was für eine Erfahrung, eine Qualität da war. Das sind Dinge, die heute kaum mehr möglich sind. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster